Mit insgesamt 16,4 Milliarden Euro liegt das Haushaltsvolumen des Bundesgesundheitsministeriums 2025 um rund 270 Millionen Euro unter dem des laufenden Jahres. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch nach insgesamt 80-stündigen Beratungen von Kanzleramt und den Ministern für Finanzen und Wirtschaft, Christian Lindner und Robert Habeck, beschlossen.
Möglich waren die Einsparungen aufgrund niedrigerer Ausgaben im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Für die Finanzierung von Pandemiebereitschaftsverträgen stehen 150 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Weitere 140,5 Millionen Euro weniger gehen an den Gesundheitsfonds für durch Pandemie-bedingte Belastungen. Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds bleibt konstant bei 14,5 Milliarden Euro – damit dürften die letzten Reserven im GKV-System bald aufgebraucht sein, da aktuell die Ausgaben stärker als die Einnahmen steigen. Auch die Pflegeversicherung erhält trotz ihrer defizitären Entwicklung keine erhöhten Bundeszuschüsse. Die Krankenkassen kritisieren das und warnen vor Beitragserhöhungen. Unterdessen hat die Kaufmännische Krankenkasse eine Erhöhung ihres Beitragssatzes auf 17,98 Prozent angekündigt, bundesweit ein Spitzenwert.
Der Bund hat das Recht und die Pflicht, in einem Bundesgesetz ohne Zustimmung des Bundesrates eine grundlegende Reform der Notfallversorgung mit bundeseinheitlichen Struktur- und Qualitätsvorgaben zu regeln. Daran ändere auch die Kompetenz der Länder bei der Gefahrenabwehr nichts. Zu diesem Schluss kommt der Bonner Verfassungsrechtler und ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Udo di Fabio, in einem Gutachten im Auftrag der Björn Steier Stiftung.
Der Präsident der Stiftung, Pierre-Eric Steiger kritisierte, dass es seit mehr als 20 Jahren keine Reform der Notfallversorgung mehr gegeben habe. Deutschland habe 2000 noch einen internationalen Spitzenplatz belegt, sei aber in der Zeit danach immer weiter hinter die internationalen Standards zurückgefallen. Lediglich zwei der insgesamt 250 deutschen Rettungsleitstellen erreichten den gegenwärtigen Top-Standard. Als Ursache dafür nannten er und Stiftungsgeschäftsführer Christoph Chwojka Kirchtumspolitik der Kommunen und Landkreise, die nach ihrem Gusto Standards setzten, die weit unter dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse blieben. Rettungsleitstellen seien technisch nicht untereinander vernetzt, existierende Notfall-Apps funktionierten meist nur in der Heimatregion und seien auf Reisen untauglich. Die Initiative der Koalition für eine Reform sei daher ausdrücklich zu begrüßen.
Der Verfassungsrechtler di Fabio sieht den Bund sogar in einer Handlungspflicht. Diese ergebe sich aus Artikel 2 Absatz 2, der jedem Bürger ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zuspreche. Die Realisierung dieses Anspruchs sei angesichts gegenwärtiger Mängel in der Notfallversorgung gefährdet. Die Regelungskompetenz des Bundestages ergebe sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12, der dem Bund die alleinige Zuständigkeit für die Gesetzgebung der Sozialversicherung zuordne. Dies folge aus der Tatsache, dass die Leistungen der Notfallversorgung für über 90 Prozent der Bevölkerung durch die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden. Das begründe das Recht des Bundes, für diese Leistungen auch Struktur- und Qualitätskriterien zu kodifizieren. Nicht eingegriffen werde in die Verwaltungsstruktur der Länder.
Ungeachtet dieser alleinigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes werde man Länder und Kommunen in den Gesetzgebungsprozess einbeziehen, so der Bundestagsabgeordnete und Notfallmediziner Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen). Maßgeblich für die Struktur und Qualität der Notfallversorgung als GKV-Leistung sei der Stand der medizinisch-wissenschaftlich Erkenntnis. Dahmen erwartet, dass der jetzt beschlossene Gesetzentwurf im September in erster Lesung im Bundestag beraten wird und zum Jahreswechsel in Kraft treten kann.
Die KBV und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte halten die im Zuge der Notfallreform geplanten Präsenzpflichten von Haus- und Kinderärzten (24/7, für Pädiater mindestens telemedizinische Bereitschaft) für kaum realisierbar. KV-Vorstand Dr. Stephan Hofmeister sagte, wenn die zur Präsenz in Integrierten Notfallzentren verpflichteten Ärzte dort vielleicht acht Patienten versorgen könnten, blieben bis zu 70 Patienten in der Praxis unversorgt. Das könne sogar kontraproduktive Effekte haben und einen Anreiz für Patienten bieten, ein INZ aufzusuchen, obwohl dies medizinisch nicht notwendig sei. Vor dem Hintergrund des schon bestehenden Personalmangels warnte Pädiater-Präsident Dr. Michael Hubmann vor dem Aufbau einer neuen Parallelstruktur, die durch Anspruch auf telemedizinische und aufsuchende notdienstliche Versorgung durch Kinderärzte entstehe. Schon jetzt müssten Pädiater zu Stoßzeiten bis zu 90 Patientenkontakte bewältigen. Begrüßt wird jedoch ausdrücklich die Einführung neuer Steuerungselemente wie die strukturierte Ersteinschätzung.
Das deutsche Gesundheitssystem ist nach Einschätzung des beim Kanzleramt angesiedelten Expertenrats "Gesundheit und Resilienz" nicht gut auf künftige Krisen vorbereitet. Trotz hoher Kosten sei der Outcome international unterdurchschnittlich, weitere Belastungen ergeben sich aus dem doppelten demografischen Wandel – mehr ältere Patienten, weniger Fachkräfte – und einer zunehmenden Ungleichheit in der Versorgung. Dieses System biete keine ausreichende Basis für eine Vorbereitung auf krisenhafte Situationen, Störungen und Schocks.
Der Rat empfiehlt einen neuen Umgang und eine neue Bewertung von Innovationen: Forschung und Entwicklung hätten neue Therapiemöglichkeiten für schwere Krankheiten geschaffen, die allerdings extrem teuer seien, so Charité-Vorstandsvorsitzender Heyo Kroemer. Es stelle sich die Frage, wie teure Innovationen finanziert und betroffenen Patienten bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden können. Wenn hier rationiert werden müsse, dann stelle sich die Frage, nach welchen Kriterien solche Entscheidungen erfolgen sollen. Das müsse jetzt diskutiert werden. Darüber hinaus müssten auch bewusst Leistungen und Maßnahmen aus der Versorgung genommen werden, die keinen Mehrwert brächten. Ferner sei es notwendig, über den Umfang des Arztvorbehalts zu diskutieren und in welchem Umfang nichtärztliche Berufsgruppen ärztliche Tätigkeiten übernehmen könnten.
Dem Rat, der im Frühjahr als Nachfolger des Corona-Expertenrats berufen wurde, gehören 23 Mitglieder aus Wissenschaft und Medizin an, darunter die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx und der Virologe Christian Drosten.