Nach jahrelangem Tauziehen haben sich die Bundesärztekammer und der PKV-Verband auch auf die Preise für eine neue, rund 5500 Leistungen umfassende Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) geeinigt. Damit ist nun endgültig Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Zuge, der die Reform mit einer neuen Rechtsverordnung realisieren müsste. Zumindest eine "vorurteilsfreie Prüfung" hatte er zugesagt, nachdem SPD-Gesundheitspolitiker seit Ulla Schmidt die Reform stets kategorisch abgelehnt hatten.
Grundlegend neu ist der Verordnungsteil, wonach es nur noch Einfachsätze gibt und Steigerungsfaktoren abgeschafft werden. Neu ist auch ein vereinbartes Procedere für die Aufnahme neuer Leistungen, damit nicht wie bislang ein immenser Reformstau entsteht. Daher entfallen künftig auch Analogbewertungen. Insbesondere darüber war lange Zeit zwischen BÄK und PKV gestritten worden. Komplett überarbeitet ist das Leistungsverzeichnis, das nach einem aufwendigen Beratungsprozess mit rund 160 Fachgesellschaften und Berufsverbänden den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft repräsentiert. In den letzten Verhandlungsrunden, die sich aber auch über mehrere Jahre hinzogen, wurden Preise für die insgesamt 5500 Leistungen vereinbart. Die Neubewertungen sollen das Honorarvolumen binnen drei Jahren um 13,2 Prozent (1,9 Milliarden Euro) steigern können, haben BÄK und PKV vereinbart. Begleitet wird dies von einem Monitoring. Insbesondere werden mit der Reform hausärztliche Leistungen und sprechende Medizin aufgewertet. Das wird ausdrücklich vom Hausärzteverband begrüßt, der nun eine rasche Umsetzung durch die Politik fordert.
Politisch standen die Vorzeichen für eine solche Reform lange Zeit gut: Alle Gesundheitsminister von FDP und CDU zwischen 2009 und 2021 – Rösler, Bahr, Gröhe und Spahn – befürworteten sie, forderten aber fachlich eine vorherige Einigung zwischen Ärzten und PKV. Dieses lange Zeit offenstehende Fenster wurde von Ärzteschaft und PKV nicht genutzt. Die SPD hatte wenig Interesse an der Reform und verfolgte die Idee der Bürgerversicherung mit einer Einheitsgebührenordnung. Eine Modernisierung der GOÄ sah sie dabei als eher kontraproduktiv.
Fast 80 Prozent der niedergelassenen Ärzte und ihre Praxisteams haben im letzten Jahr verbale Gewalt von Patienten erlebt. Über 40 Prozent sind in den letzten fünf Jahren körperlich angegriffen worden. "Die Verrohung der Sitten ist erschreckend", kommentierte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen diese Ergebnisse einer aktuellen Online-Umfrage unter 7600 Ärzten, Psychotherapeuten und ihren Mitarbeitern. "Ein gesamtgesellschaftlicher Werteverfall trifft auf ein überlastetes und kaputtgespartes Gesundheitssystem. Außerdem wecken Politik und Krankenkassen zu hohe Ansprüche", so Gassen.
Die Umfrage zeigt: Auch körperliche Gewalt nimmt zu. Von den 43 Prozent, die angaben, in den letzten fünf Jahren körperliche Gewalt erlebt zu haben, sagten 60 Prozent, dass dies allein im letzten Jahr geschehen sei. Die Fälle reichen von Tritten gegen das Schienbein, Schubsen und Spucken bis hin zu schweren Angriffen. So berichtete ein Arzt, dass er vor der Praxis zusammengeschlagen worden sei. Jeder vierte Arzt erstattete Strafanzeige. Ein Drittel der Praxen hat inzwischen Vorkehrungen gegen Gewalt getroffen und beispielsweise Notrufsysteme installiert.
Von den zahlreichen Gesundheitsreformen, die derzeit erarbeitet werden oder schon in der parlamentarischen Beratung sind, ist keines ausgereift und geeignet, die Versorgung zu verbessern, kritisiert der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen am Freitag auf der Vertreterversammlung. Er befürchtet, dass die Reform der Vergütung und Bedarfsplanung für die Krankenhäuser, die in den Vermittlungsausschuss überwiesen worden sind, scheitern könnten. Niemand glaube mehr, dass es dann noch einen Ambulantisierungsschub geben werden. Bei einem Scheitern mache allerdings auch eine Notfallreform keinen Sinn mehr. Lauterbachs versprochene Generalüberholung des Gesundheitswesens drohe an handwerklichen Unzulänglichkeiten zu scheitern. Mit Blick auf die laufenden Honorarverhandlungen mit den Kassen zeigte sich Gassen hinsichtlich einer möglichen Einigung optimistisch. Das denkbare Ergebnis werde aber nichts an der generellen Unterfinanzierung der Praxen ändern.
Sein Vorstandskollege Dr. Stephan Hofmeister erwartet vor dem Hintergrund der gesetzlichen Reform der Vergütungssystematik für die Hausärzte durch Einführung neuer Vorhalte- und Versorgungspauschalen herausfordernde Verhandlungen mit den Kassen. Da das Honorarvolumen begrenzt bleibe, werde es zu Umverteilungseffekten kommen.
Eine weitere Herausforderung sei die geplante zügige Implementation der ePA, so Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner: Das gelte insbesondere für die nur vierwöchige Testphase in den Modellregionen Hamburg und Franken, in denen das Zusammenspiel von unterschiedlichen elektronischen Patientenakten der Kassen mit den über 100 verschiedenen PVS-Systemen überprüft werden soll. Fortschritte sieht Steiner im Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz und der darin vorgesehenen Prüfung der qualitativen und quantitativen Anforderungen an Praxisverwaltungssysteme.
Berlin. Bürokratie und hohe Arbeitsbelastung frustrieren die Praxisinhaber – laut einer aktuellen Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztlichen Versorgung wollen nur noch 51 Prozent ihre eigene Praxis bis zum Erreichen des Ruhestandsalters weiterführen. 20 Prozent der Ärzte erwägen, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, 14 Prozent streben eine Anstellung in einer anderen Praxis und in einem MVZ an, acht Prozent denken an eine Umwandlung in eine reine Privatpraxis. Für nahezu ausgeschlossen halten niedergelassene Ärzte allerdings den Wechsel in ein Krankenhaus, lediglich ein Prozent hält dies für eine Option. Auch der Wechsel in einen alternativen Beruf (drei Prozent) ist nur für wenige wahrscheinlich. Die Umfrageergebnisse zeigten die Folgen der überbordenden Bürokratie, einer dysfunktionalen Digitalisierung und starken Kostensteigerungen, so die KBV. Es sei ein Alarmsignal an die Politik, dass die ambulante Versorgung kurz vor dem Kipppunkt stehe, so KBV-Chef Gassen.
Der Bundesverband der niedergelassenen Diabetologen (BVND) sieht mit der geplanten Einführung von Jahres- und Vorhaltepauschalen in der hausärztlichen Versorgung erhebliche Risiken für die Versorgung der rund neun Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland. Es bestehe die Gefahr, dass eine leitliniengerechte Behandlungsintensität und -qualität mit dieser Vergütungsreform nicht mehr erreicht werden kann. Aus diesem Grund haben Vertreter des BVND, der Deutschen Diabetes Gesellschaft und von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe – eine Petition an das Bundesgesundheitsministerium und an die Parlamentarier des Bundestages gerichtet, die am Donnerstag dem Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung im BMG, Michael Weller, übergeben wurde.
Nach zwei ergebnislosen Verhandlungsrunden hat der Marburger Bund seine Mitglieder zu einem ganztätigen Warnstreik an kommunalen Krankenhäusern aufgerufen. Die zentrale Kundgebung findet am Mittag in Frankfurt statt. Für die 60.000 Ärzte an diesen Kliniken fordert der Marburger Bund neben einer linearen Erhöhung der Gehälter um 8,5 Prozent auch Veränderungen am Schichtdienst durch vereinfachte Tarifregelungen, die besser kontrolliert werden können. Die Arbeitgeber hätten dies bislang als unbezahlbar zurückgewiesen. Die notfallmäßige Versorgung der Patienten soll auch während des Streiks gewährleistet bleiben.
Die Summe aller in Deutschland geleisteten Sozialausgaben hat im vergangenen Jahr 1,25 Billionen Euro erreicht, das ist ein Zuwachs von 5,2 Prozent. Die Sozialleistungsquote beträgt damit 29,2 Prozent. Das ist der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, das zuletzt inflationsbedingt um 6,3 Prozent gestiegen ist, real aber um 0,3 Prozent abgenommen hat. Die größten Anteile am Sozialbudget beanspruchen die Rentenversicherung mit 385 Milliarden Euro und die gesetzliche Krankenversicherung mit 302 Milliarden Euro. Im Sozialbudget enthalten ist auch der Etat des Bundesarbeitsministeriums, der mit 170 Milliarden Euro größte Einzelhaushalt des Bundes. Der größte Etatposten darin ist der Zuschuss an die Rentenversicherung von über 120 Milliarden Euro. Zum Vergleich: aus dem BMG-Etat fließen 14,5 Milliarden Euro über den Gesundheitsfonds an die GKV. Ein weiterer bedeutender Posten im Sozialbudget ist die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, für die Arbeitgeber im letzten Jahr 76,7 Milliarden Euro gezahlt haben. Binnen 14 Jahren hat sich diese Summe verdoppelt. Ursächlich für die Dynamik sind ein Beschäftigungsanstieg, aber auch eine beträchtliche Zunahme des Krankenstandes von 13,2 Tagen im Jahr 200 auf 22,6 Tage in 2022 (BKK-Daten). Vor diesem Hintergrund hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) jüngst die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung gefordert. Das wird von Ärzteorganisationen strikt abgelehnt.