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Wochenrückblick: Das politische „Wünsch-dir-Was“ für die Gesundheit und Pflege

Trotz umfangreicher Reformpläne der Gesundheitspolitik bleiben finanzielle Hürden bestehen. Ein Primärarztsystem soll Entlastung bringen.

Reformdruck im Gesundheitswesen: Finanzierung ungeklärt

Auf ein überwiegend positives Echo bei ärztlichen Organisationen ist das – vorläufige – Papier der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege von Union und SPD zur Vorbereitung eines Koalitionsvertrages gestoßen. Neben strukturellen Reformen für die ambulante Versorgung wie die Einführung eines Primärarztsystems enthält der Mitte vergangener Woche veröffentlichte Kompromiss eine lange Wunschliste zur Entlastung von Kranken- und Pflegekassen sowie neuer Leistungen, die sich auf insgesamt 74 Milliarden Euro – jährlich 18,4 Milliarden Euro –  bis 2028 zu Lasten des Bundeshaushaltes summieren. Wie das finanziert werden soll, lassen die Gesundheitspolitiker offen. Das heißt: Am Ende dürften Finanzpolitiker und Parteispitzen die Aufgabe haben, den Wunschkatalog auch das finanzpolitisch Machbare zusammenzustreichen.

Einsparungen von jährlich ein bis zwei Milliarden Euro verspricht man sich von der Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems, in dem Haus- und Kinderärzte die Patientensteuerung übernehmen. Gesetzlich Versicherte können alternativ die KV-Service-Nummer 116 117 nutzen, um einen garantierten Facharzttermin zu erhalten. Sollte dieser nicht fristgerecht vergeben werden, hat der Patient die Möglichkeit, einen Facharzt in einem Krankenhaus aufzusuchen. Diesem geschätzten Effizienzgewinn stehen jedoch weitaus größere zusätzliche Ausgaben gegenüber:

  • Die Entbudgetierung der Honorare für Fachärzte in unterversorgten Gebieten könnte zusätzlich 7,5 Milliarden Euro kosten.
  • Für die Jahre 2025 und 2026 sind 4 Milliarden Euro vorgesehen, um die Betriebskostenlücke bedarfsnotwendiger Krankenhäuser zu schließen.
  • 2,7 Milliarden Euro würde der „Pakt für Kindergesundheit“ kosten, mit dem im Schnitt 30.000 Euro pauschal an jede Schule für Präventionsangebote gezahlt werden sollen.
  • Mit 3,5 Milliarden Euro in vier Jahren sollen Apotheker bedacht werden; ihr fixer Anteil an der Handelsspanne soll von 8,35 auf 10 Euro erhöht werden.
  • Die finanziellen Belastungen für den Bundeshaushalt wären noch weitaus höher, um Kranken- und Pflegekassen zu entlasten und künftige Beitragssatzerhöhungen zu vermeiden – insgesamt beläuft sich der Finanzierungsbedarf bis 2028 auf 62,7 Milliarden Euro.
  • Noch weitaus größer wären die Belastungen für den Bundeshaushalt, mit denen Kranken- und Pflegekassen entlastet und somit künftige Beitragssatzerhöhungen vermieden werden sollen: Insgesamt kommt man hier auf einen Finanzierungsbedarf von 62,7 Milliarden Euro bis 2028. Den Pflegekassen sollen einmalig 5,2 Milliarden Euro an Pandemiekosten erstattet werden (das war politisch schon mal zugesagt, aber nicht eingehalten worden); 40 Milliarden Euro über vier Jahre sollen an die Krankenkassen fließen, um damit die Behandlung von Bürgergeld-Empfängern kostendeckend zu finanzieren (das stand auch im Koalitionsvertrag von 2021, wurde aber ebenfalls nicht eingehalten); die Pflegekassen sollen insgesamt 13 Milliarden Euro erhalten, um die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger beitragsneutral bezahlen zu können; der Bundeszuschuss an die Krankenkassen soll ab 2026 dynamisiert worden, derzeit beträgt er seit 2017 mit Ausnahme der Pandemiejahre 15,5 Milliarden Euro; Kostenpunkt: 4,5 Milliarden Euro bei einer Steigerungsrate von jährlich 5 Prozent.
  • Der Transformationsfonds zur Restrukturierung der stationären Versorgung soll nicht zu 50 Prozent (25 Milliarden Euro in zehn Jahren) auf Kosten der Krankenkassen, sondern aus dem „Sondervermögen für Infrastruktur“ in Höhe von 400 Milliarden Euro finanziert werden.

Bis auf den letzten Posten, bei dem sich die Spitzenverhandler der beiden Fraktionen allerdings noch auf eine Priorisierung der langen Liste aller wünschenswerten Infrastrukturprojekte einigen müssen, handelt es sich um konsumtive Staatsausgaben. Diese unterliegen nach wie vor den Regeln des Schuldendeckels. Insofern steht der Wunschkatalog der Gesundheitspolitiker in einem grundsätzlichen Widerspruch zu den fiskalpolitischen Zielen des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz.

GBA-Chef Hecken warnt vor Kostenexplosion bei Arzneien

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses hält es für dringend erforderlich, die geltenden Preisbildungsmechanismen insbesondere für neue onkologische Wirkstoffe sowie für Arzneimittel gegen Seltene Erkrankungen zu reformieren. Allein für diese beiden Arzneimittelgruppen gibt die GKV 18 Milliarden Euro aus, ein Drittel der gesamten Arzneiausgaben. Sie machen aber nur knapp 1,3 Prozent aller Verordnungen aus. Angesichts meist schlechter Evidenz für den Zusatznutzen dieser bei kleinen Patientenpopulationen eingesetzter Wirkstoffe müssten Begleitstudien obligatorisch sein, bevor ein endgültiger, dann aber rückwirkender Erstattungsbetrag verhandelt werde. Bleibe es hingegen bei den geltenden Rahmenbedingungen, drohe die Gefahr von Rationierungen. 

200 Millionen Euro Schaden durch Betrug im Gesundheitswesen

Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes belief sich der Schaden durch Betrug im Gesundheitswesen in den Jahren 2022/23 auf rund 200 Millionen Euro. 92 Millionen Euro konnten durch die Kranken- und Pflegekassen jedoch gesichert werden. Nach Feststellung der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen ist damit der Schaden erheblich gegenüber den beiden Vorjahren – 132 Millionen Euro – angestiegen. Am höchsten mit 86 Millionen Euro ist der Schaden in der Arznei- und Verbandmittelversorgung, insbesondere durch einen starken Anstieg professionell gefälschter Rezepte. Dieser Betrug wird vor allem bei hochwertigen Arzneimitteln wie Ozempic oder Mounjaro genutzt. Ein weiterer Brennpunkt ist die Pflegeversorgung, wobei Kranken- und Pflegekassen gleichermaßen mit einem Schaden von zusammen 62 Millionen Euro betroffen sind. Ursächlich sind Falschabrechnungen, Leistungen ohne vertragsgemäße Qualifikation, unzulässige Zusammenarbeit oder Urkundenfälschung. 

Eher gering sind dagegen die Schäden im ärztlichen und zahnärztlichen Leistungsbereich mit insgesamt 11 Millionen Euro, wovon der überwiegende Teil (7,3 Millionen Euro) gesichert werden konnte.