Die Bundesärztekammer hat am Wochenende ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie die Herausforderungen und Handlungsnotwendigkeiten der Gesundheitspolitik in der nächsten Legislaturperiode definiert. Die Kernpunkte:
Gesundes Leben, Prävention, Health in All Policies: Nicht adressierte Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunder Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Übergewicht erfordern eine Nationale Publik Health Strategie. Notwendig sei ein Runder Tisch mit Ärzten sowie Politik und anderen Stakeholder von Bund, Ländern und Kommunen zur gesunden Lebensführung und früher Gesundheitsbildung. Kinder müssten effektiv vor ungesunder Nahrung und Genussmitteln geschützt werden. Zur Gesundheitsförderung und Prävention müsse ein Koordinierungsstab beim Bundeskanzleramt eingesetzt werden, um eine Health-Policy zu gewährleisten. Der Pakt für den ÖGD müsse verstetigt werden.
Kooperation und Koordinierung: Das Gesundheitswesen benötigt zur Schonung seiner Ressourcen dringend eine effiziente Patientensteuerung. Die hausarztzentrierte Versorgung habe sich bewährt und müsse ausgebaut werden. Zur Steuerung der Patientenströme müssten verstärkt digitale Unterstützungswerkzeuge zur Verfügung stehen.
Nachwuchsförderung: Dringend notwendig sei die die Reform des Medizinstudiums und die finanzielle Absicherung der Weiterbildung. Die Berufstätigkeit von Ärzten im Ruhestand bedürfe der steuerlichen Förderung. Verfahren zur Anerkennung von Ärzten aus dem Ausland müssten beschleunigt und effizienter gestaltet werden. Insgesamt müssten Ärzte und ihre Mitarbeiter vor körperlicher und verbaler Gewalt geschützt werden.
Bürokratieabbau: Das Bundesgesundheitsministerium müsse eine Taskforce „Bürokratieabbau einsetzen, an der Ärzte und weitere Gesundheitsberufe beteiligt sind. Es bedürfe neuer sektorenverbindender digitaler Kommunikationskanäle sowie eine Harmonisierung der Praxis- und Krankenhausinformationssysteme. Prüfverfahren der Medizinischen Dienste müssten dem Kosten-Nutzen-Prinzip unterliegen. Für alle Reformen müsse es eine valide Bürokratiefolgenabschätzung eingeführt werden.
Resilienz gegen Krisen: Bedrohungen der äußeren und inneren Sicherheit, politischer Extremismus, Cyberangriffe und Folgen des Klimawandels etwa durch Extremwetterlagen erforderten auch für das Gesundheitswesen eine Resilienzstrategie. Das müsse beispielsweise für sichere Lieferketten für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie digitale Kommunikationsstrukturen gelten. Regelmäßig seien Notfallübungen notwendig. Bei Reformgesetzen müsse der Krisenfall systematisch mitgedacht werden.
Klimawandel: Er stelle langfristig die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Gleichzeitig sei das Gesundheitswesen zu sechs Prozent am CO2-Fußábdruck beteiligt. Notwendig seien: Gesundheitlicher Hitzeschutz auf kommunaler Ebene müsse verbindlich etabliert werden, die Arzneimittelproduktion müsse nachhaltig gestaltet werden, Investitionen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung seien dauerhaft zu finanzieren.
Freiberuflichkeit sichern: Die fachliche Weisungsungebundenheit von Ärzten müsse abgesichert bleiben. Der Arztberuf müsse dazu vor fortschreitender Kommerzialisierung geschützt werden. Der Einfluss von Fremdinvestoren müsse gesetzlich begrenzt werden. Mit der Sicherung der Freiberuflichkeit sei die Selbstverwaltung als Organisationsprinzip zu erhalten und zu stärken.
Der im Mai mit großem Medienecho eingeführte Atlas zur Kliniktransparenz, der auf gesetzlicher Basis vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen erstellt wird, entwickelt sich mehr und mehr zu einem Flop. Wie aus der Antwort der Bundesregierung zu einer parlamentarischen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hervorgeht, wurde der digital verfügbare Atlas im Startmonat Mai 1,4 Millionenmal aufgerufen, im Oktober waren es nur noch 126.000 Interessenten. Die Zahl der Seitenaufrufe sank von 100 auf vier Millionen. Eine mögliche Ursache, das Projekt, das von Lauterbach als wichtiges Element der gesamten Klinikreform bewertet worden war, könnten zahlreiche Fehler und Ungereimtheiten in den ersten Versionen der Publikation sein.
Das Scheitern der Ampel-Koalition und Neuwahlen rund sieben Monate vor dem regulären Wahltermin hat auch dazu geführt, dass es kein neues Public Health-Gesetz mehr geben wird. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes wäre die Gründung einer neuen Behörde, ursprünglich Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM), neuerdings Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) genannt, gewesen. Darin hätte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aufgehen sollen, ferner hätte das Robert Koch-Institut seine Zuständigkeit für wesentliche Teile der Epidemiologie und insbesondere für nicht übertragbare Krankheiten an die neue Behörde abgeben sollen. Das war auf erhebliche Kritik aus wissenschaftlichen Kreisen, aber auch des RKI selbst gestoßen. In der Folge sind nun die Position des RKI-Präsidenten sowie die einiger Abteilungsleiter vakant. Insider berichten ferner über einen hohen Krankenstand. Für weitere Unsicherheiten sorgt der nicht verabschiedete Bundeshaushalt und die Ungewissheit, ob befristete Arbeitsverträge fortgeführt werden können.
An seinem oberbayerischen Standort Penzberg investiert Roche in den kommenden drei Jahren mehr als 600 Millionen Euro in den Ausbau der Produktion von Diagnostika und Therapeutika. Damit wolle der Konzern die Resilienz der Wertschöpfungskette in Europa stärken, teilte der Konzern anlässlich der Grundsteinlegung in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz mit. Staatliche Subventionen erhält das Unternehmen nicht. Bereits in den vergangenen fünf Jahren hat Roche, weltweit größter Anbieter von Diagnostika, am Standort Penzberg drei Milliarden Euro investiert. Ein wesentlicher Aspekt zugunsten von Penzberg sei die Unterstützung durch die bayerischen Behörden und das schnelle Genehmigungsverfahren gewesen, so der Vorstandsvorsitzende der deutschen Roche Pharma AG, Hagen Pfundner. Ein weiterer Standort sei die Stärke der Wissenschaft im Großraum München.
Professor Dr. Bernd Mühlbauer, Pharmakologe an der Universität Bremen, ist Nachfolger von Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig als Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Der Onkologe Ludwig hatte das Amt 18 Jahre lang inne. Zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde Dr. Andreas Klinge, Internist und Diabetologe in Hamburg, gewählt.