Tausende Arnika-Pflänzchen sprießen in einem Marburger Gewächshaus ihrer Zukunft auf hessischen Wiesen entgegen. Botaniker züchten sie dort in Plastikschalen, um sie später auszuwildern. Mit ihrer Arbeit wollen die Forscher der Uni und des Botanischen Gartens Marburg herausfinden, wie die Heilpflanze gerettet werden kann. Denn davon hängt viel ab - nicht nur für die Arnika, die vielerorts immer seltener wird.
In jedem Drogeriemarkt und in jeder Apotheke sind sie zu finden: Salben und Tinkturen, in denen Arnika steckt. Zur Anwendung bei Blutergüssen und Prellungen, bei rheumatischen Beschwerden oder Entzündungen. Die Bekannt- und Beliebtheit der gelb blühenden Heilpflanze ist ein Grund, warum die Marburger Forscher und ihre Partner 2014 das Projekt gestartet haben, wie Koordinator Andreas Titze erzählt. So sei die Chance höher, dass die Menschen auf die Probleme aufmerksam werden.
Denn bei dem Forschungsprojekt gehe es nur auf den ersten Blick allein um den Schutz der wildwachsenden Arnika (Arnica montana), betont Titze, der auch Direktor des Botanischen Gartens in Marburg ist. "Eigentlich geht es um das dahinter." Und das ist der Erhalt eines Lebensraumes, der für Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen wichtig ist: extensiv genutztes Grünland wie Magerwiesen.
Sie seien die Heimat für zahlreiche Blütenpflanzen. "Insekten brauchen diese Wiesen, um sich zu ernähren", sagt Titze. Seit den 1960er-Jahren, der Industrialisierung der Landwirtschaft und dem Einsatz von Düngemitteln, seien die Flächen massiv zurückgegangen - und mit ihnen die Zahl der Blütenpflanzen.
Die Marburger Wissenschaftler und ihre Kollegen der Hochschule Geisenheim wollen Modelle erarbeiten, um die Arnika und ihren Lebensraum zu bewahren. Denn klar sei ja auch: Wenn Insekten und damit wichtige Bestäuber für Nahrungspflanzen fehlten, gehe es irgendwann um die Lebensgrundlage der Menschen.
Deutschland ist das Hauptverbreitungsgebiet der Arnika. "Deswegen hat Deutschland eine besondere Verantwortung, sie zu erhalten", sagt Titze. Hinzukommt: Wo die Blume keinen geeigneten Standort mehr findet, verschwinden auch rund 40 weitere Blütenpflanzen. In den vergangenen 20 Jahren sind die Bestände der Arnika den Wissenschaftlern zufolge europaweit drastisch zurückgegangen, vor allem in tieferen Lagen. In Hessen wächst die Arnika in Mittelgebirgen wie Vogelsberg, Rhön oder Westerwald. In höheren Gegenden sei die Situation noch halbwegs in Ordnung, berichtet Titze. Unter 500 Metern sehe es dagegen schlecht aus.
Das Forschungsprojekt besteht aus verschiedenen Phasen und Maßnahmen. Dazu gehörte zunächst, Samen an noch vorhandenen Arnika-Standorten zu sammeln und zu sichern. Die Pflänzchen, die in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens in Marburg gedeihen, sollen hessenweit auf Wiesen angesiedelt werden. Die Forscher kümmern sich außerdem um genetische Untersuchungen der Arnika und arbeiten mit Bauern zusammen - denn bei den wertvollen Wiesen handelt es sich meist um landwirtschaftliche Flächen. Nur gemeinsam könne man etwas für deren Schutz tun.
Wenn die Wiesen nicht bewirtschaftet und zum Beispiel regelmäßig gemäht werden, verbuscht das Land, wie der Sprecher des hessischen Bauernverbandes, Bernd Weber, sagt. Die Landwirte müssten aber von der Bewirtschaftung ihrer Flächen leben können. So sei es sinnvoll, beispielsweise über Ausgleichszahlungen Anreize zu schaffen, Magerwiesen zu halten und pflegen. Es gebe bereits verschiedene Agrar-Umweltprojekte im Land. Das Bewusstsein sei da, wichtige Landschaftstypen zu bewahren, betont Weber. "Es liegt im ureigensten Interesse der Bauern, das ökologische Gleichgewicht zu erhalten."
Die Marburger Forscher haben bereits erste Erkenntnisse, was der Arnika helfen kann: Weniger Nährstoffe auf den Wiesen zum Beispiel, denn die Blume mag es spartanisch. Da die Arnika erst im Hochsommer blüht, sollten die Flächen auch erst danach gemäht werden. Immerhin: Salben und Cremes werden wohl auch noch in Zukunft Arnika beinhalten. Die Pflanzen für diese Mittel werden Titze zufolge gezüchtet oder stammen aus noch stabilen Wildpopulationen.