Der soll auch Menschen mit einer leichten körperlichen Beeinträchtigung helfen, sich sportlich zu betätigen. Das Trainingsgerät wird nun weiter verbessert.
Weil rostet, wer rastet, empfehlen Ärzte Bewegung. Schon eine halbe Stunde am Tag wirkt dem Altern entgegen. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Diese Binsenwahrheit ist längst wissenschaftlich belegt. Aber: "Die Muskulatur wird im Alter schwächer, und irgendwann kann man nicht einmal mehr aufstehen", sagt Sportwissenschaftlerin Anita Hökelmann von der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg. Genau diese Menschen hatten sie und ihre Kollegen im Blick, als sie begannen, einen Sport- und Tanzrollator zu entwickeln. Weil viele Betroffene eher Lust aufs Tanzen als auf Sport haben, soll das Gerät für beides eingesetzt werden.
Die Idee ist schon fast zehn Jahre alt. Damals boomte der Rollatortanz in den Niederlanden. Anita Hökelmann schaute sich das vor Ort an. Und stellte fest: Die Mobilität ist durch die feststehenden Räder des Standardrollators eingeschränkt. Die Senioren können immer nur im Kreis fahren - mehr ist nicht möglich. "Das ist zwar besser als gar keine Bewegung", meint die Sportwissenschaftlerin. "Aber wir dachten, das muss besser gehen."
Der wichtigste Unterschied zwischen gewöhnlichen Rollatoren und Tanzrollatoren liegt folglich darin, dass der Tanzrollator in alle Richtungen bewegbar ist. Durch Armstützen sind Senioren gezwungen, die nach vorne gebeugte Schonhaltung aufzugeben und sich gerade aufzurichten.
In Heimen wurde das Gerät über mehrere Wochen getestet. "Musik spricht jeden an, selbst die Gebrechlichsten", sagt Hökelmann. "Da zuckt schon bei den ersten Takten das Tanzbein. Die alten Herrschaften waren froh, wieder tanzen zu können. Das funktioniert auch in Gruppen und mit einem nicht behinderten Partner."
Der Rollator aus Magdeburg ist fast so wendig wie ein richtiger Tanzpartner. "Er ist zwar aus Metall und spricht leider nicht mit einem. Aber die Bewegung allein bringt viele Vorteile", sagt Hökelmann.
2014 stieß Marcel Partie zu Hökelmanns Team und entwickelte das Sport- und Tanzgerät als Doktorand weiter. Es wurde kleiner und wirkt nicht mehr so sperrig. Der Sportingenieur hat viele weitere Ideen. "Wir wollen Kraftsensoren einbauen, die einen Schwächeanfall signalisieren und Stürze verhindern können. Denkbar sind auch Vibrationssignale aus dem Gürtel, die zusätzlich zum körperlichen Training wirken und das Gehirn ansprechen." Das soll vor allem Demenzpatienten helfen.
"Wir arbeiten auch an einem automatischen Bremssystem, das eingreift, wenn die Fahrt zu schnell wird", ergänzt Hökelmann. Ihr ist wichtig zu betonen, dass man mit dem Rollator nicht nur tanzen, sondern auch Kräftigungs- und Dehnungsübungen durchführen kann. Um das noch besser zu ermöglichen, soll der neue Rollator eine Sitzfläche bekommen. In einem Anschlussprojekt, für das gegenwärtig Fördermittel eingeworben werden, sollen das neue, bessere Design und die technischen Extras miteinander verknüpft werden.
Die Magdeburger Wissenschaftler haben ihren Rollator bereits auf vielen internationalen Konferenzen vorgestellt. Und stießen auf großes Interesse. Die Frage, wo man den Sport- und Tanzrollator kaufen kann, können sie allerdings noch nicht beantworten. "Wir haben Partner in der Industrie, mit denen wir das Gerät entwickelt haben. Aber wir brauchen noch jemanden, die den Rollator herstellen kann und will."
Die verbesserte Basisversion ließe sich nach Ansicht Hökelmann relativ schnell herstellen. Am hochkomplexen System für die Demenzpatienten muss noch geforscht werden. Dafür veranschlagt die Professorin etwa zwei Jahre.