Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat zum stärkeren Kampf gegen die Antibiotika-Resistenz von Bakterien aufgerufen. Jedes Jahr sterben laut WHO rund 700 000 Menschen, weil Antibiotika gegen bestimmte Bakterien nicht mehr wirken – allein in Deutschland sind es mindestens 10 000. “Die zunehmende Antibiotika-Resistenz ist eine globale Gesundheitskrise”, erklärte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan am Montag. “Sie erreicht in allen Teilen der Welt ein gefährliches Ausmaß.”
Die Regierungen würden aber inzwischen verstehen, dass der Kampf gegen die Antibiotika-Resistenz “eine der größten Herausforderungen für das Gesundheitswesen ist”, sagte Chan zum Auftakt der ersten weltweiten Antibiotika-Woche (16. bis 22.11.) unter dem Motto “Vorsicht beim Umgang mit Antibiotika”. “Resistenz gefährdet unsere Fähigkeit, Infektionskrankheiten zu behandeln und untergräbt zahlreiche medizinische Fortschritte.”
Zugleich beklagte die WHO-Generaldirektorin, dass viele Menschen immer noch nicht darüber informiert seien, wie Antibiotika-Resistenz entsteht und was dagegen getan werden kann. Dies geht aus einer am selben Tag veröffentlichen Umfrage der WHO mit 10 000 Teilnehmern in zwölf Ländern hervor, die alle Weltregionen repräsentieren. Antibiotika werden wirkungslos, wenn sich Bakterien so genetisch verändern, dass die Medikamente ihnen nichts mehr anhaben können.
Bei der Umfrage gaben zwar 64 Prozent der Beteiligten an, sich der Gefahren durch die Resistenz von Antibiotika bewusst zu sein. Doch sie habe auch gezeigt, dass ebenfalls 64 Prozent der Beteiligten der Ansicht waren, man könne die von Viren ausgelösten Erkältungskrankheiten mit Antibiotika behandeln, obwohl sie gegen diese Erreger wirkungslos sind.
32 Prozent der Befragten erklärten, man könne die Einnahme von Antibiotika beenden, sobald man sich besser fühle, anstatt die verschriebene Dosis vollständig einzunehmen. Die zu frühe Absetzung dieser Medikamente gilt als eine von vielen Ursachen dafür, dass sich resistente Bakterien ausbreiten.
“Die Erkenntnisse dieser Studie zeigen, dass es dringend erforderlich, das Wissen über Antibiotika-Resistenzen zu verbessern”, sagte der WHO-Sonderbeauftragte für solche Resistenzen, Keiji Fukuda. Die entsprechende Veränderung von Verhaltensweisen sei “eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts”.
Die 194 WHO-Mitgliedstaaten hatten sich bei der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung am 25. Mai in Genf auf einen globalen Aktionsplan für den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen verständigt. Ziel ist es, die wirksame Behandlung und Vorbeugung bakterieller Infektionen durch effektive und sichere Medikamente auch weiter gewährleisten zu können, heißt es in der entsprechenden Resolution.
Alle Staaten sind aufgerufen, die Ziele des Aktionsplans innerhalb von zwei Jahren in nationale Strategien gegen Antibiotika-Resistenzen umzusetzen. Gefordert werden unter anderem bessere Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern, um dort Infektionen mit resistenten und daher lebensbedrohlichen Keimen zu verhindern.
Auch solle die Gefahr von Resistenzen in der Ausbildung von Medizinern und Landwirten als zentrales Thema behandelt werden. In der Humanmedizin sowie in der Viehzucht würden Antibiotika häufig ohne eindeutige Diagnose verschrieben, zudem seien solche Mittel vielerorts rezeptfrei erhältlich, kritisieren WHO-Experten. Auch dies trägt zur Verbreitung resistenter Bakterien bei.
Solche Mittel würden zudem nicht selten in Viehzuchtbetrieben als Wachstumsförderer missbraucht werden. Die WHO bemängelt zudem, dass die Pharmaindustrie weniger in die Entwicklung neuer Antibiotika investiere als in Medikamente, die höhere Gewinne versprechen. Dies müsse unbedingt korrigiert werden.
Die Bundesregierung hatte im Mai die neue Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie (Dart 2020) verabschiedet. Sie will damit künftig schärfer gegen den Missbrauch von Antibiotika und die Ausbreitung gefährlicher Keime vorgehen.
Für die WHO-Umfrage wurden jeweils zwei Länder stellvertretend für sechs verschiedenen WHO-Regionen ausgewählt. Beteiligt waren Barbados, China, Ägypten, Indien, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Russland, Serbien, Südafrika, Sudan und Vietnam.
Text: dpa /fw
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