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Wenn Diskriminierung das Medizinstudium vereitelt

Ein junger Student der Zahnmedizin wird aufgrund einer HIV-Infektion vom Studium ausgeschlossen. Der Fall landet vor Gericht, welches das Vorgehen der Universität letztlich bestätigt – ein Skandal.

Ein Fall von Diskriminierung mit fatalen Folgen

Alles begann damit, dass der junge Mann am Ende seines theoretischen Studienteils von den nach den Semesterferien beginnenden Praxiskursen ausgenommen werden sollte, so eine Mitteilung der Universität an den Studenten der Zahnmedizin.

Er durfte demnach aufgrund seiner HIV-Infektion für die Dauer eines Semesters nicht an Kursen mit Patientenkontakt sowie an den Übungen der Studierenden teilnehmen. Nach Ablauf dieses Semesters sollte er zudem auf eigene Kosten monatlich einen Labornachweis erbringen, dass seine Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze lag. Erst auf dieser Basis könne eine eingesetzte Expertenkommission dann neu entscheiden.

Anfangs folgte der junge Mann den Auflagen, verweigerte dies jedoch am Ende und legte Widerspruch ein, auf den er keine Antwort erhielt. Zwei bestellte Gutachter stützten die Ansicht des Studenten, dass von ihm "keine Gefährdung" ausginge, da sein Therapiestatus mit den aktuellen Leitlinien konform war.

Klärung und Rechtsprechung bei Gericht?

Am Beginn des neuen Praxissemesters verweigerte die Betriebsärztin dem Studenten schließlich den Unbedenklichkeitsnachweis, sodass er weiterhin von den Kursen ausgeschlossen blieb. Einen weiteren Gesprächstermin lehnte die Ärztin ab, da der Student sich nicht an die geforderte Nachweispflicht mittels monatlicher Bluttests hielt.

Der Anwalt des Studenten erstellte daraufhin Antrag auf einstweilige Verfügung bei Gericht, um auf diesem Weg eine Teilnahme an den praktischen Kursen zu ermöglichen. Zeitgleich reichte der junge Mann Klage ein gegen den Ausgangsbescheid seiner Universität. Und wie reagierte die Universität darauf?

Kurzerhand erhielt der Student der Zahnmedizin einen Brief seiner Universität, dass er mit sofortiger Wirkung von allen Lehrveranstaltungen seines Studienganges ausgeschlossen wird, was defakto einer Exmatrikulation sehr nahe kam. Auch gegen diesen Bescheid legte er gemeinsam mit seinem Anwalt Widerspruch ein. Doch es sollte noch schlimmer für ihn kommen.

Ignoranz und Vorurteile leisten der Diskriminierung Vorschub

Nach Ansicht des VG Gießen war der Student durch Art.12 des Grundgesetzes zur freien Berufsausübung (welche die Ausbildungszeit bzw. das Studiem mit einschließt) geschützt und musste somit Zugang zu allen Lehrinhalten bekommen. Hinzu kam, dass gemäß den Empfehlungen der Fachverbände eine HIV-Infektion per se keinen Auschluss einer medizinischen Tätigkeit begründete, solange es sich dabei um keine risikoträchtigen Tätigkeiten handelte. Darüber hinaus könnten auch risikoträchtige Tätigkeiten ausgeführt werden, insofern die Viruslast aufgrund der Therapie unter der Nachweisgrenze lag. Dies war bei dem Studenten erfüllt. Den Ausschluss von allen Lehrveranstaltungen bewertete das Gericht zudem als unverhältnismäßig.

Die Universität Marburg zog den Fall schließlich zum Hessischen VGH und hielt dagegen:

Am 1. Februar 2022 (10 B 2508/21) teilte der Hessische VGH schließlich mit, dass der Beschluss des VG Gießen aufgehoben ist. Dies begründete das Gericht damit, dass seit dem ersten Verfahren neue Erkenntnisse aufgetaucht seien, die eine Neubewertung des Falles erforderten. Demnach falle der Student aufgrund seiner HIV-Infektion unter die Generalklausel zur Gefahrenabwehr des Hessischen HSG. Desweiteren, so das Gericht, seien die Sachverständigen des Antragstellers Humanmediziner und könnten deshalb die zahnmedizinische Seite wohl kaum beurteilen. Abschließend hätten die eidestattlichen Versicherungen seitens der Universität eine Gefahr zweifelsfrei nachgewiesen.

Was bedeutet ein solches Urteil?

Gegen dieses Urteil wurden keine Rechtsmittel zugelassen, sodass es für den Studenten final ist und für ihn das Ende seines Studiums der Zahnmedizin bedeutete. Ein beispielloser Fall, wie Ignoranz und Vorurteile die Zukunft einen jungen Menschen mit HIV vollkommen grundlos zerstören können.

Doch auch für andere ähnlich gelagerte Fälle gehen von diesem Urteil sehr beunruhigende Signale aus. Eine HIV-Infektion, zudem sie behandelt und der Patient unterhalb der Nachweisgrenze lag, sollte nie Anlass dazu geben können, einem Menschen einen Beruf, eine Ausbildung oder ein Studium zu verwehren.

Die größte Gefahr geht noch immer von Unwissenheit, Vorurteilen und Ignoranz aus, denn diese fördern gemeinsam diskriminierendes und ausgrenzendes Verhalten. Dagegen helfen am Ende nur Information, Weiterbildung und ein wenig mehr Gespür für die Grundrechte aller Menschen in unserem Land. 

Quelle: RA Jacob Hösl "Neues aus Recht und Justiz zu HIV für den medizinischen Bereich" Münchner AIDS- und COVID-Tage 2022