Endlich schmerzfrei: Für einige Rheumapatienten, deren Gelenke aufgrund der chronischen Entzündung stark angegriffen sind, ist dies nur noch mit einem künstlichen Knie- oder Hüftgelenk zu erreichen. Zunehmend wird jedoch versucht, patienteneigene Knorpelzellen im Labor zu transplantierbarem Ersatzknorpel heranzuzüchten und so den Einsatz eines künstlichen Gelenks hinauszuzögern oder zu umgehen. Welche Möglichkeiten bietet diese als Tissue-Engineering bezeichnete Methode und wo liegen ihre Grenzen?
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass bei der Behandlung verschlissener Knie- oder Hüftgelenke der künstliche Gelenkersatz bislang das unangefochtene Mittel der Wahl ist. "Pro Jahr werden in Deutschland mehr als 400.000 Endoprothesen eingesetzt", sagt Professor Dr. med. Kolja Gelse, Leitender Oberarzt in der Unfallchirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen. Dem gegenüber stehen nur 1.700 registrierte Eingriffe, bei denen versucht wird, den Knorpel im Gelenk zu rekonstruieren.
Der Grund hierfür ist, dass die seit der Jahrtausendwende etablierte Technik bislang nur dann als aussichtsreich gilt, wenn es um die Reparatur eng umgrenzter, von gesundem Knorpelgewebe umgebener Defekte geht. "Solche begrenzten Läsionen liegen bei chronisch-entzündlichen Krankheiten wie Rheuma meist nicht vor", erläutert Gelse. Doch werde zunehmend versucht, das Anwendungsspektrum für die Knorpelreparatur auch auf solche degenerativen Schäden auszuweiten. Bei kleineren Läsionen seien in Studien auch schon gute Erfolge erzielt worden.
Eine größere Herausforderung stellen großflächige degenerative Knorpeldefekte dar. "Derzeit wird in der Forschung und Wissenschaft intensiv daran gearbeitet, auch solche arthrotischen Läsionen mit Ersatzknorpel behandeln zu können", sagt Gelse. Neue Techniken erlaubten es inzwischen, auch größere und dreidimensionale Knorpelkonstrukte in guter Qualität herzustellen. Allerdings weist der Experte auch auf einen Nachteil dieser Transplantate hin: Je stabiler und belastbarer sie sind – messbar an einem hohen Proteoglykangehalt –, desto weniger leicht verbinden sie sich mit dem umgebenden Knorpel und dem darunterliegenden Knochen. Wie sich auch solche Konstrukte gut verankern lassen, wird derzeit noch wissenschaftlich ausgelotet.
Viel grundlegender ist allerdings das Problem, dass der neue Knorpel in dieselbe Umgebung verpflanzt wird, die den alten Knorpel zerstört hat. "Die zugrundeliegenden mechanischen und biologischen Faktoren müssen dringend berücksichtigt und mit therapiert werden", betont Professor Dr. med. Bernd Swoboda, Chefarzt der Orthopädisch-Rheumatologische Abteilung in der Orthopädischen Universitätsklinik im Malteser Waldkrankenhaus St. Marien, Erlangen. So müssten bei Bedarf etwa die Beinachse korrigiert und mögliche Schäden an Meniskus oder Bändern behoben werden. Außerdem sei es notwendig, entzündliche oder andere schädliche Prozesse therapeutisch zu unterdrücken. Denn ohne solche Anpassungen werde kein noch so guter Ersatzknorpel langfristig intakt bleiben.
Quelle: DGRh