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Neues Arzt-Patientenportal vitabook: Markus Bönig, geschäftsführender Gesellschafter im Interview

Markus Bönig, geschäftsführender Gesellschafter von vitabook, im esanum-Interview zu internetaffinen Ärzten, den neuen Möglichkeiten von eHealth und der modernen Beziehung zwischen Arzt und Patient

Markus Bönig, geschäftsführender Gesellschafter von vitabook, im esanum-Interview zu internetaffinen Ärzten, den neuen Möglichkeiten von eHealth und der modernen Beziehung zwischen Arzt und Patient.

esanum: Herr Bönig, Ärzte in Deutschland werden immer internetaffiner. Trotzdem sind viele ältere Ärzte noch sehr skeptisch gegenüber den Möglichkeiten von eHealth eingestellt. Wie wird sich diese Einstellung in Zukunft ändern?

Bönig: Ich denke, dass der Grund dafür nur allzu menschlich ist. Für die tägliche Arbeit von Ärzten ist das Internet schlicht und einfach nicht wichtig. Es ist noch nicht einmal erforderlich, eine eigene Internetseite zu haben, geschweige denn eHealth in irgendeiner Form zu praktizieren. Eine Arztpraxis funktioniert auch ohne Internet völlig problemlos – für den Arzt. Die vielfältigen Möglichkeiten, um Patienten das Zusammenspiel mit ihrem Arzt zu erleichtern werden so lange nicht umgesetzt, wie es dafür keine angemessene Vergütung für den Arzt gibt, oder dies aus Wettbewerbsgründen erforderlich wäre.

Die Patienten sind es gewohnt, Termine per Telefon zu vereinbaren und in Wartezimmern zu warten. Patienten sind es gewohnt, sich Laborberichte und Gesundheitsdokumente in Papierform abzuholen und Patienten sind es gewohnt Rezepte in Papierform beim Arzt per Telefon anzufordern und zu Fuß abzuholen. Die Fernbehandlung ist in Deutschland sogar explizit verboten. Dieses System funktioniert und muss aus Ärztesicht nicht verändert werden.  Die weitaus meisten Arztpraxen haben keinen Grund Marketing in eigener Sache zu betreiben. Wer da einen Anrufbeantworter für Termine und Rezepte anbietet, ist schon äußerst kundenfreundlich. Eine Internetseite, auf der Patienten Termine und Rezepte anfordern kann gilt aktuell als der Höhepunkt von eHealth in Arztpraxen im Umgang mit Patienten.

So lange Ärzte eine Pauschale pro Patient und Quartal erhalten und es faktisch keinen Wettbewerb um Patienten gibt, ist es für Ärzte nicht erforderlich, sich hier zu ändern. Einzige Ausnahme bilden schon heute Ärzte, die gezielt nach Privatpatienten suchen. Dies sind vor allen Dingen Zahnärzte, plastische Chirurgen, Kinderwunsch-Spezialärzte & Co – also Ärzte, die an jedem einzelnen Patienten deutlich mehr als die Quartalspauschale für einen Kassenpatienten verdienen können.

Dieses Verhalten würde sich massiv ändern, wenn es einen echten Wettbewerb zwischen Ärzten um Patienten geben würde und es ändert sich schleichend dadurch, dass junge Ärzte sich nicht mehr vorstellen können, überhaupt keine Internetseite zu haben und zunehmend den Nutzen erkennen, den Patienten auch elektronisch mit sich zu vernetzen.

esanum: Welche Tipps haben Sie für Ärzte, sich selbst besonders gut im Netz zu vermarkten und mehr Patienten in ihre Praxen zu bringen?

Bönig: Wenn ein Arzt glaubt, dass er sich und seine Leistungen vermarkten muss, was für die meisten Ärzte nicht erforderlich ist, dann ist das Netz dafür der optimale Ort. In diesem Fall würde ich jedem Arzt empfehlen, in den einschlägigen Arzt-Bewertungsportalen wie jameda und in den Arzttermin-Buchungssystemen wie doxter ordentlich gelistet zu sein und gute Bewertungen dort zu haben. Zu diesem Zweck können Patienten direkt um ein Feedback gebeten werden und schon steigen die Bewertungszahlen signifikant. Zusätzlich sollte der Arzt eine eigene gute Internetseite haben, um seinen Patienten einen Grund zu geben, ihn online zu suchen. Das ist die weitgehend passive Variante, das Internet für die Kommunikation mit Patienten zu nutzen. Mit vitabook wird eine aktive Zusammenarbeit mit dem Patienten erstmals möglich. Über die damit verbundenen, positiven Erfahrungen, werden zufriedene Nutzer diese neue Art der Zusammenarbeit auch anderen Freunden empfehlen. Auf diese Weise profitiert der Arzt dann stark von lokalem Empfehlungsmarketing. Zusätzlich sollte der Mediziner natürlich über Google nachdenken und sich mit Adwords optimal finden lassen.

esanum: Auf vitabook ist es Patienten nicht möglich ihre Ärzte zu bewerten, aus welchen Gründen haben Sie sich dagegen entschieden eine Bewertungsfunktion in die Plattform zu integrieren?

Bönig: Das liegt daran, dass der Hauptnutzen von vitabook in bereits bestehende Arzt-Patientenbeziehungen entsteht. Es werden jährlich ca. 3 bis 4 Mrd. Arzttermine in Deutschland vereinbart. Der weitaus größte Teil betrifft bestehende Arzt-Patienten-Beziehungen. Es geht darum, dass ein Patient bei seinem Arzt einen Termin online buchen können möchte, dieser Arzt es aber nicht nötig hat, seine eigene Webseite dafür vorzubereiten. Aktuell sind nur ca. 2% aller deutschen Ärzte online erreichbar, um darüber einen Arzttermin zu vereinbaren, oder ein Folgerezept anzufordern. Mit vitabook kann nun jeder Patient mit jeder Arztpraxis Termine anfragen, Folgerezepte anfordern und gleichzeitig das dazugehörige Medikament in der Apotheke. Darüber hinaus erhält der Patient mit vitabook ein eigenes Gesundheitskonto, das er mit seiner Gesundheitskarte koppeln kann. Damit kann der Patient nun jederzeit einem Arzt seine Notfalldaten bereitstellen und Entlassdokumente, Ausweise, Röntgenbilder und sonstige Laborergebnisse sofort und einfach digital in sein eigenes Gesundheitskonto übermittelt bekommen. Die gesamte Kommunikation mit Arzt und Apotheke wird mit vitabook viel einfacher. Die Frage der Bewertung des Kontaktes wird sich möglicherweise im Laufe der Zeit ergeben. Im Vordergrund steht der Bürger, der gerne online mit seinem Arzt und Apotheker kommunizieren würde, dies aber meist heute mangels eines Angebotes nicht kann.

esanum: Wie kann man als Arzt vitabook nutzen? Wird spezielle Hardware oder Software benötigt und wie hoch sind die Einstiegskosten für Praxisärzte?

Bönig: Jede deutsche Arztpraxis ist bereits Bestandteil von vitabook. Ein Arzt braucht nichts zu tun, um bei vitabook gefunden zu werden. Besser ist es natürlich, wenn das Profil bei vitabook ein Foto und die Öffnungszeiten enthält. Es ist aber nicht erforderlich, dies zu tun. Zusätzlich können sich Ärzte auf www.vitabook-connect.de einen eigenen Zugang zu vitabook verschaffen und auf diese Weise die gesamte Kommunikation ihrer Patienten auch elektronisch und nicht bloß per Fax in Empfang nehmen. Das Telefax ist nämlich die Schnittstelle der Wahl, über die wir mit Ärzten kommunizieren, wenn sie noch kein Profil aktualisiert haben. Jede Arztpraxis hat ein Fax, aber fast kein Patient. Wir übersetzen elektronische Anforderungen eines modernen Patienten in das Fax, um auch Ärzte erreichen zu können, die völlig offline sind.

esanum: Datenschutz wird in Deutschland derzeitig heiß diskutiert. Wie werden die Daten von Medizinern und Patienten in Ihrer Plattform geschützt und wer hat die Kontrolle über die Daten?

Bönig: Das wirklich Besondere bei vitabook ist, dass wir den Patientenschutz genauso hoch gewichten, wie den Datenschutz. vitabook bedeutet ganz konkret mehr Schutz für den Patienten in Bereichen, in denen er bisher definitiv fehlt: bei Kreuz- und Nebenwirkungen nicht verträglicher Medikamente zum Beispiel, bei unnötigen Röntgenaufnahmen, bei zu häufigen Antibiotika-Verschreibungen, die in eines der größten Gesundheitsprobleme dieses Jahrhunderts führen: Krankenhauskeime. Die elektronische Patientenakte stellt solche Risiken visuell dar. Durch die Einbindung der Apotheker können Unverträglichkeiten früh erkannt werden.

Der Patient selbst bestimmt vollumfänglich, welche Daten über ihn bei vitabook gespeichert werden, oder auch nicht und der Patient entscheidet, welchem Arzt, oder welcher Apotheke er einen Teil oder alles zeigen möchte, oder auch nicht. Wir haben sämtliche Maßnahmen ergriffen, um die Daten der Patienten sicher zu speichern. Die Daten liegen in einem deutschen Hochsicherheitsrechenzentrum, verlassen nie die Bundesrepublik und werden stets verschlüsselt übermittelt und abgelegt. Wirklich zentral ist, dass die Daten nur dem Bürger selbst gehören.

esanum: Wie sind Ärzte rechtlich bei Ihnen in der Plattform abgesichert? Was gilt es bei der Benutzung diesbezüglich zu beachten?

Bönig: Alleine der Patient entscheidet, ob ein Arzt Einsicht in das Gesundheitskonto des Nutzers bei vitabook erhält, oder nicht. Der Patient kann sein Gesundheitskonto mit seiner Gesundheitskarte koppeln. Der Arzt kann die Daten einsehen, wenn der die Versichertennummer und die Versicherungsnummer kennt und zusätzlich eine vierstellige Pin vom Patienten erhält. Möchte der Arzt dem Patienten Informationen elektronisch zur Verfügung stellen, ist dies auch ohne Pin möglich. Der Patient entscheidet, dann, ob er die übersandten Informationen behalten möchte, oder nicht. Der Arzt hat aus diesem Grund überhaupt nichts zu beachten. Wenn sein Patient ihm den Lesezugriff auf seine Daten erlaubt, dann ist das die freie Entscheidung des Patienten und wenn der Patient den Arzt darum bittet, ihm seine Gesundheitsdaten elektronisch in sein Gesundheitskonto hochzuladen, dann ist auch das die freie Entscheidung des Patienten. Die Anforderungen der Bundesärztekammer sind hier deutlich. Die Daten müssen verschlüsselt hochgeladen werden und der Patient muss dem explizit zustimmen. Genau das erfüllt vitabook in Reinform.

esanum: Sind in Zukunft noch Erweiterungen der Plattform geplant?

Bönig: Ja, die Anforderungen einzelner Nutzergruppen sind sehr besonders, so dass immer wieder spezielle Anpassungen von vitabook erforderlich wurden und auch zukünftig werden. So haben wir gerade erst in 2015 den elektronischen Implantatausweis auf den Weg gebracht. Es handelt sich dabei im Kern um ein vitabook-Gesundheitskonto mit einer Karte, dem Implantatausweis. Kliniken und Ärzte können dem Patienten nun seine gesamten Gesundheitsdaten bei der Entlassung elektronisch mitgeben. Faktisch gilt es, alle Stakeholder des Gesundheitswesens über das Gesundheitskonto miteinander zu vernetzen. Es geht immer im Kern um eine Person – um den einen Patienten. Wenn dieser eine Patient eine eigene Akte hat, ein eigenes Gesundheitskonto, dann ist die Herausforderung die, dass all Akteure im Gesundheitswesen mit diesem Gesundheitskonto umgehen können. Wer das dann genau ist, entscheidet immer der Patient.

Interview: Florian Weigang

Foto: ordermed GmbH