Pro Jahr sterben in Europa rund 35.000 Menschen, weil Keime gegen Antibiotika resistent geworden sind. Wissenschaftler aus dem Saarland haben den Mikroorganismen den Kampf angesagt - und sehen sich auf einem guten Weg.
Wissenschaftler aus dem Saarland forschen an neuen Antibiotika, mit denen auch multiresistente Keime abgetötet und unwirksam gemacht werden können. "Wir sind nicht so weit, dass wir sagen können, wir haben ein Medikament entwickelt, das nächste Woche in der Apotheke erhältlich ist", sagte der geschäftsführende Direktor das Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), Rolf Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Er sei aber zuversichtlich, dass dies in den nächsten Jahren gelingen könne.
Nicht nur im Reagenzglas könne man schon sehr gute Aktivitäten der Wirkstoffe beobachten, sondern auch bei Tierexperimenten eine Wirksamkeit gegen Infektionen erzielen. Keime wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) kommen dort vor, wo häufig Antibiotika eingesetzt werden - vor allem in Krankenhäusern.
Antibiotika-Resistenzen gelten heute als eine der größten Herausforderungen bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Wegen des zum Teil "unverantwortlichen und falschen Umgangs" sowohl bei der Massentierhaltung als auch bei der leichtfertigen Abgabe an Menschen, seien viele Mikroorganismen unempfindlich gegen Antibiotika geworden, sagte der Professor für Pharmazeutische Biotechnologie. Offiziell geht man von 10.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland und 35.000 in Europa aus - wobei die Dunkelziffer weitaus höher sei.
"Wir stehen vor dem Risiko, dass wir die Waffe Antibiotika wieder verlieren", sagte Müller. Unabhängig von der Entwicklung neuer Wirkstoffe sei es wichtig, den Antibiotika-Einsatz besser zu steuern, etwa durch schnellere Diagnostik und gezieltere Anwendung. Die Mikroorganismen mutieren und verändern sich sehr schnell und sind sehr anpassungsfähig. Das Thema multiresistente Keime werde vermutlich niemals inaktuell werden: "Das wird ein ewiger Kampf bleiben", sagte Müller.
Für die pharmazeutische Industrie sei dieser Bereich wenig interessant, weil er wirtschaftlich nicht genug abwerfe. "Man schätzt, dass die Entwicklung eines Antibiotikums im Schnitt zwölf Jahre dauert und mehr als eine Milliarde Euro kostet", sagte Müller, der auch zu einer Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört. "Da erscheinen manchem die etwa sechs Millionen Euro Jahres-Budget an unserem Institut vielleicht wie ein Tropfen auf den heißen Stein."
Geforscht werde sowohl an Substanzen, die die Mikroorganismen komplett vernichten, als auch an solchen, die ihre krankmachenden Mechanismen blockieren. "Denn wenn man sie abtötet, befeuert man ihre Resistenz", sagte Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes.
Antibiotika-Resistenzen stehen auch auf dem Programm der Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG), bei der ab diesem Dienstag bis Samstag rund 400 Wissenschaftler an der Universität des Saarlandes diskutieren. Unter anderem geht es auch um Nanomedizin, die mit Hilfe kleinster Partikel Wirkstoffe im Körper ans Ziel bringen will.