Nimmt Schlafen in unserem Leben immer mehr eine Nebenrolle ein? Diese Frage beantworten Experten mit einem ausdrücklichen Ja - und verweisen auf die gesundheitlichen Folgen.
Baden-Württembergs Beamte schlafen am besten: Im Vergleich zu Arbeitern und Angestellten haben sie einer Studie zufolge am wenigsten mit schweren Schlafstörungen zu kämpfen. Nur 3,7 Prozent der Staatsdiener leiden demnach unter der sogenannten Insomnie, dagegen 8,9 Prozent der Angestellten und 21,3 Prozent der Arbeiter. Im Schnitt sind es 9,1 Prozent - doppelt so viele wie vor acht Jahren. Diese Ergebnisse einer Erhebung des Berliner IGES Instituts aus dem Jahr 2016 stellte die DAK Gesundheit am Dienstag in Stuttgart vor.
Demnach haben fast 80 Prozent der Arbeitnehmer zwischen 35 und 65 Jahren im Südwesten Probleme beim Ein- und Durchschlafen. Das sind etwa 4,7 Millionen Menschen oder 66 Prozent mehr als 2009. Damals gaben noch 52,3 Prozent an, keine Schlafprobleme zu haben, 2016 waren es nur noch 20,8 Prozent. Insgesamt lassen sich nur wenige ärztlich behandeln, wie die DAK mitteilte. Lediglich 3,6 (Bund: 4,8) Prozent der Erwerbstätigen waren deshalb in den Praxen.
Auch bei den Krankschreibungen spielten Schlafstörungen mit weniger als einem halben Prozent kaum eine Rolle. Von allen Menschen mit schweren Schlafstörungen waren 60 Prozent (Bundeszahlen) noch nie beim Arzt, weil sie allein damit fertig werden wollten, gefolgt von jenen, die ihre Probleme für nicht schwerwiegend genug hielten (rund 30 Prozent), und etwa 10 Prozent, die vom Arzt keine Hilfe erwarteten.
Die AOK veröffentlichte kürzlich eine ebenfalls repräsentative Befragung, die zu anderen Ergebnissen kommt. Demnach halten 85 Prozent der Befragten ihren Schlaf für erholsam. Der Grund für die unterschiedlichen Resultate konnte nicht aufgeklärt werden.
Aus Sicht des DAK-Landeschefs Siegfried Euerle werden Schlafstörungen zu wenig ernst genommen. "Viele Menschen kümmern sich nachts um volle Akkus bei ihren Smartphones, aber sie können ihre eignen Batterien nicht mehr aufladen." Er warnte vor möglichen Folgen chronisch schlechten Schlafs wie Depressionen oder Angststörungen.
Aus Sicht der Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, Maritta Orth, müssen Ärzte mehr für das Thema Schlafmangel sensibilisiert werden - das gelte insbesondere bei betriebsärztlichen Untersuchungen. Da vor allem Schichtarbeiter mit Schlafproblemen zu kämpfen hätten, müsse die Schichteinteilung mitarbeiterfreundlicher werden. Auch das Gefühl vieler Arbeitnehmer, ständig erreichbar sein zu müssen, leiste dem Schlafmangel Vorschub.
Nicht nur die Arbeitsbedingungen müssten besser werden, forderte Schlafexpertin Orth. Jeder Betroffene könne etwas tun, um das Problem in den Griff zu bekommen - von Entspannungsübungen am Abend über einen Spaziergang bis zum Lesen eines Buches. Tabu vorm Einschlafen sollten Filme sein - ebenso wie das Beantworten dienstlicher E-Mails und die Planung des nächsten Tages.