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Viele medizinische Experimente auf der ISS geplant

Astronaut Matthias Maurer soll auf der Internationalen Raumstation ISS über 100 Experimente durchführen, darunter 36 unter deutscher Leitung oder mit deutscher Beteiligung. Eine Reihe von Experimenten hat einen medizinischen Hintergrund.

Roboter, Keime und ein Schmelzofen: Experimente auf der ISS

Astronaut Matthias Maurer soll auf der Internationalen Raumstation ISS über 100 Experimente durchführen, darunter 36 unter deutscher Leitung oder mit deutscher Beteiligung. Eine Reihe von Experimenten hat einen medizinischen Hintergrund.

Der Astronaut diene in gewisser Weise auch als Modell für viele Aspekte des Alterns auf der Erde, erläutert Volker Schmid, Manager der Cosmic Kiss-Mission, von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Die Effekte der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper bei längeren Aufenthalten im All seien analog zu vielen Symptomen des Alterns auf der Erde. "Der Körper braucht in der Schwerelosigkeit ja weniger Energie, das Herz muss weniger pumpen. Knochen- und Muskelmasse werden jedoch schnell abgebaut, wenn man kein regelmäßiges Training macht. Kreislauf, Gleichgewichtsorgan und Immunsystem müssen sich anpassen, und all das verursacht Stress. Und diese Effekte untersucht man ausgiebig, um Gegenmaßnahmen wie Medikamente und Therapien für den Einsatz auf der Erde und im All zu entwickeln."

Ein anderes Experimentierfeld ist die Materialphysik. Maurers Vorgänger Alexander Gerst hat 2014 auf der ISS zum Beispiel den EML-Schmelzofen eingebaut. "Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Legierung von Blei und Aluminium, und man will diese mischen, um neue Eigenschaften zu erhalten", erklärt Schmid. "Wenn man diese Legierung auf der Erde zum Schmelzen bringt, sinkt das schwere Blei zu Boden und das Aluminium schwimmt oben. Das mischt sich also nicht wirklich. Aber auf der ISS hat man keine Schwerkraft. Unter diesen Bedingungen lassen sich viele neue Materialien viel besser untersuchen."

Auch mit Beton wird auf der ISS experimentiert. Um Beton auf der Erde zukünftig vielleicht klimaneutraler herzustellen, sind CO2-Einsparungen an vielen Stellen der Prozesskette nötig. Eine Grundlage dafür ist ein besseres Verständnis der Aushärtung von Beton. "Die Kristallisation von Beton ist ein sehr komplexer Vorgang", so Schmid. Beim ISS-Projekt "Concrete Hardening/MASON" würden genau diese komplexen Mechanismen ohne störende Schwerkrafteinflüsse untersucht werden.

Künstliche Intelligenz

Ein anderes Thema ist künstliche Intelligenz. 2018 hat Alexander Gerst das Assistenzsystem Cimon getestet. Es handelt sich dabei um einen frei fliegenden, medizinballgroßen Roboter mit Sprachsteuerung, der Astronauten bei ihren täglichen Arbeiten unterstützen soll. "Assistenzsysteme können neben der Raumfahrt auch auf der Erde zukünftig bei Training und bei Schulung große Bedeutung haben", betont Schmid. "Gerade auch im Bereich Medizin und Pflege, auch im häuslichen Pflegebereich. Dort könnte das in zehn, 15 Jahren zur Anwendung kommen, wenn es weiterentwickelt wird."

Ein weiteres Untersuchungsfeld sind sogenannte biozide Oberflächen. Die ISS ist ein großes und isoliertes System mit eigenem Lebenserhaltungssystem. Trotz akribischer Hygiene gibt es Keime. Manche Keimfilme können sogar Oberflächen schädigen. Die Wissenschaftler wollen mit speziellen, mikrostrukturierten Testoberflächen aus verschiedenen Materialien untersuchen, wie sich Keime im Alltagsbetrieb, zum Beispiel durch häufiges Berühren, auf solchen Oberflächen ohne Reinigung verhalten und entwickeln.

Die Wissenschaftler erhoffen sich Aufschlüsse, die für künftige Langzeitmissionen zum Mond oder Mars wichtig sein könnten. Sie erwarten aber vor allem Hinweise zur möglichen Verbesserung der Hygiene zum Beispiel in Krankenhäusern oder öffentlichen Räumen, Einrichtungen und Verkehrsmitteln. "Wenn es gelingen würde, dass solche Oberflächen Keime an der Vermehrung und am Wachstum hindern, hätte man da einen sehr positiven Effekt erzielt", sagt Schmid.

Eine andere Disziplin ist das "Cold Atomics Lab" der Nasa: Hier forschen deutsche und amerikanische Wissenschaftler an Langzeitexperimenten mit ultra-kalten Atomen in Schwerelosigkeit. Die Atomwolken werden dabei auf Temperaturen abgekühlt, die nur noch ein Zehnmilliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt (in etwa minus 273 Grad Celsius) liegen. "Die ISS-Versuche ermöglichen die Überprüfung der Quantenphysik und unseres physikalischen Weltbildes mit einer Genauigkeit, die auf der Erde nicht erreicht werden kann", erläutert Schmid.