Es ging der Gewerkschaft nicht um Geld, sondern um mehr Schwestern und Pfleger: Nach mehrjährigen Verhandlungen haben sich Europas größte Uniklinik Charité und die Gewerkschaft Verdi auf einen Tarifvertrag für die rund 14 000 Beschäftigten geeinigt. Das haben beide Seiten am Donnerstag bekanntgegeben. Der Vertrag regelt erstmals bundesweit auch personelle Mindestbesetzungen, unter anderem in der Intensivpflege – dort soll sich im Mittel künftig ein Pfleger um zwei Patienten kümmern.
In einer Urabstimmung hätten sich 89,2 Prozent der Verdi-Mitglieder für den Abschluss des Tarifvertrags ausgesprochen, teilte Verdi mit. Auch der Vorstand habe für den Abschluss gestimmt. Der Tarifvertrag werde voraussichtlich am Freitag unterzeichnet und trete Anfang Mai in Kraft, sagte der Sprecher der Tarifkommission, Carsten Becker, der dpa. Er gehe von einer dreistelligen Zahl an neuen Pflegekräften aus, genau beziffern lasse sich der Zuwachs derzeit noch nicht.
Auch beim letzten Streitpunkt sind sich beide Seiten nun einig geworden: Die neuen Beschäftigten sollen nur Fachkräfte sein, sagte Becker. Die Charité hatte zuletzt beabsichtigt, auch sogenannte Servicekräfte – in der Regel angelernte Helfer – einzusetzen. Die Klinikleitung hatte argumentiert, mit den verfügbaren Kräften auf dem Personalmarkt seien die Forderungen von Verdi nicht zu erfüllen. Auch auf die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten hatte sich die Klinik berufen.
Selbst wenn nicht alle Forderungen durchgesetzt worden seien, sieht Verdi in dem Tarifvertrag “einen Meilenstein für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krankenhaus”, wie Verhandlungsführerin Meike Jäger erklärte. Es sei endlich gelungen, dem Stellenabbau Einhalt zu gebieten. Auch der Gesundheitsschutz werde verbessert – etwa mit einem Ausschuss, an den sich Mitarbeiter bei besonderer Belastung wenden können. Der Vertrag könne bundesweit Vorbildcharakter haben.
Nach Charité-Angaben müssten nun noch der Aufsichtsrat der Klinik und der Verdi-Bundesvorstand zustimmen. Das dürfte eine Formsache sein. Berlins Wissenschaftssenatorin, die Charité-Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Scheeres (SPD), begrüßte das Ende des Tarifkonflikts. “Der Tarifvertrag ist deutschlandweit einmalig und wegweisend. Gerade darum ist es notwendig, dass Bund und Krankenkassen endlich für eine bessere Finanzierung der Pflege sorgen.”
Die Charité hatte im Lauf der Verhandlungen immer wieder betont, dass es zur Beilegung des Konflikts Lösungen auf Bundesebene brauche. Daran hält der Ärztliche Direktor Ulrich Frei fest: Er erklärte, dass er die spürbare Verbesserung der personellen Situation zwar für “notwendig” halte. “Es muss jedoch festgehalten werden, dass die Charité damit in eine im Finanzierungssystem nicht vorgesehene Vorleistung geht, um einen Tarifkonflikt zu lösen, der eigentlich eine Lösung auf Bundesebene benötigt.”
Der Tarifstreit zog sich über mehrere Jahre hin. Nach zehn Tagen Streik im Sommer 2015 einigten sich beide Seiten auf Eckpunkte für einen Tarifvertrag. Auch danach gerieten die Verhandlungen wieder ins Stocken, noch Anfang März waren neuerliche Streiks befürchtet worden.
Text und Foto: dpa /fw