Reihenweise sollen Ärzte im östlichen Ruhrgebiet schwere Krankheiten diagnostiziert und damit ihren falschen Patienten Frührenten erschlichen haben - gegen Provision. Die Staatsanwaltschaft prüft bereits mehr als 700 Fälle.
Weil sie massenhaft Patienten mit falschen Diagnosen zu unrechtmäßigen Frührenten verholfen haben sollen, ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen mehrere Ärzte. Mehr als 700 Menschen aus ganz Westfalen hätten möglicherweise zu Unrecht Leistungen der Deutschen Rentenversicherung erhalten, sagte Gerald Rübsam, Sprecher der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität. Daneben seien mehrere Ärzte sowie als Vermittler auftretende Personen aus dem östlichen Ruhrgebiet im Visier der Ermittler. Die Zeitung Neue Westfälische hatte zuvor berichtet.
Immer wieder sollen die Mediziner für ihre Patienten durch falsche Krankschreibungen und Gutachten Kranken- und Pflegegeld sowie Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrenten ergaunert haben. Den Patienten seien dabei psychiatrische Krankheiten diagnostiziert worden, unter denen sie mutmaßlich gar nicht gelitten hätten. Begleitet und angeleitet wurden die falschen Patienten demnach regelmäßig von Dritten, die sie an die Ärzte vermittelten und die halfen, den Betrug zu verschleiern. Sowohl Ärzte als auch Helfer sollen für den Betrug Provisionen kassiert haben.
Die Höhe des Schadens könne aufgrund der Vielzahl der Fälle noch nicht benannt und auch nicht prognostiziert werden. Pro Fall seien monatlich Beträge im drei- bis vierstelligen Bereich von der Rentenkasse ausgezahlt worden.
Das Verfahren sei extrem aufwendig, da jeder Einzelfall überprüft und nach entsprechenden Beweisen gesucht werden müsse, schilderte Oberstaatsanwalt Rübsam. "Wann es zu Anklagen kommen kann, ist überhaupt nicht absehbar", sagte er weiter. Zudem kämen laufend neue Verdachtsfälle hinzu. Ein Großteil der fragwürdigen Patienten sei dabei von der Deutschen Rentenversicherung selbst bei der Staatsanwaltschaft angezeigt worden.
Die Masche weise große Ähnlichkeiten zu einem im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Bochum angeklagten Fall auf, sagte Rübsam. Das Verfahren gegen einen hauptverdächtigen Psychiater hatte aus gesundheitlichen Gründen nie stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen jahrelang reihenweise Depressionen diagnostiziert zu haben, die angeblich gar nicht vorlagen. Dafür soll er bis zu 7000 Euro in bar eingestrichen haben.
Die Patienten, die nicht mehr arbeiten und stattdessen lieber eine Erwerbsminderungsrente beziehen wollten, waren regelrecht angeworben und geschult worden. Dafür waren im November unter anderem drei Männer aus Recklinghausen und Herne verurteilt worden. Die Deutsche Rentenversicherung hatte den Fall zum Anlass genommen, reihenweise Akten zu überprüfen und ihre eigenen Kontrollkriterien zu verändern, wie sie damals mitteilte.
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