Etwa die Hälfte aller rund 260.000 Patienten, die in Deutschland jährlich einen Schlaganfall erleiden, hat nach dem Hirninfarkt ein bleibendes neurologisches beziehungsweise neuropsychologisches Defizit. Um diese Folgeschäden zu minimieren und um weiteren Komplikationen und Rezidiven vorzubeugen, ist im Anschluss an Akut- und Reha-Behandlung eine umfassende Nachsorge notwendig. Hier gibt es jedoch nach Ansicht von Schlaganfall-Experten Defizite – vor allem weil Regelungen zur Nachsorge fehlen.
Eine strukturierte ambulante Nachsorge – bei der die Hausärzte intensiv eingebunden werden – könnte hier für Verbesserungen sorgen. Wie eine gute Nachsorge gelingen kann, war eines der Schwerpunktthemen des 3. Stroke Unit-Betreiber-Treffens der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) Mitte März in Berlin, an dem insgesamt 175 Schlaganfallexperten aus Deutschland teilnahmen.
Die Versorgung von Menschen mit einem akuten Schlaganfall ist in Deutschland im internationalen Vergleich exzellent. Das System spezialisierter und zertifizierter Stroke Units – derzeit sind es 309 – und die Möglichkeiten beim akuten Schlaganfall neben der intravenösen Lysetherapie in speziellen Fällen katheterbasiert verstopfte Gefäße mithilfe der sogenannten Thrombektomie zu eröffnen, machen dieses hohe Versorgungsniveau möglich. "Wenn es um die Zeit nach der Entlassung aus der Klinik geht, muss man allerdings feststellen, dass sich noch einiges verbessern ließe. Die Hausärzte kümmern sich intensiv um ihre Patienten", sagt Professor Dr. med. Armin Grau, 1. DSG-Vorsitzender und Direktor der Neurologischen Klinik mit Klinischer Neurophysiologie und Stroke Unit am Klinikum Ludwigshafen. Das Problem besteht allerdings darin, dass es keine Strukturen über die Sektorengrenzen hinaus für die Nachsorge gibt, also die Zusammenarbeit zwischen dem stationären Bereich und der ambulanten Versorgung, die vor allem vom Hausarzt übernommen wird, nicht ausreichend geregelt ist.
Etwa drei bis vier Prozent der hierzulande jährlich etwa 260.000 Schlaganfallpatienten erleiden nach einem Jahr einen weiteren Schlaganfall. Durch eine gute Sekundärprophylaxe sollen solche Rezidivschlaganfälle verhindert werden. Dies beinhaltet neben der Einnahme von Medikamenten zur Blutgerinnungshemmung und zur Senkung von Blutdruck und Cholesterin auch nichtmedikamentöse Strategien. "Lebensstiländerungen, wie sie im Update der S3-Leitlinie Schlaganfall der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) thematisiert werden, sind ausdrücklich zu empfehlen", sagt Dr. med. Frederik Mader, Hausarzt in Nittendorf und Co-Koordinator des Leitlinien-Vorhabens. Eine Ernährung mit mediterraner Kost, ausreichende Bewegung, Nikotinabstinenz und die optimierte Einstellung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck und erhöhtem Cholesterin gehören dazu.
Das Leben nach dem Schlaganfall erfordert vom Patienten und seinen Angehörigen in vielen Lebensbereichen Veränderungen. "Dafür brauchen die Betroffenen Anleitung und Unterstützung wie sie insbesondere der Hausarzt und sein Team geben können", betont DSG-Vorsitzender Grau. Die Schlaganfall-Experten fordern daher eine strukturierte ambulante Nachsorge, bei der den Hausärzten, die den Großteil der Patienten betreuen, eine besondere Rolle zukommt. Um jedoch Schlaganfall-Patienten kompetent begleiten zu können, muss der Hausarzt vor allem frühzeitig eingebunden werden. "Bereits vor der Entlassung aus der Akut- oder Rehaklinik muss der Hausarzt informiert werden. Dann kann er zusammen mit den Angehörigen die Weiterversorgung zu Hause planen", betont Dr. med. Dieter Geis vom Bayerischen Hausärzteverband. Dazu gehören neben Medikamenten auch die Verordnung von Therapien wie Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie sowie bauliche Anpassungen im häuslichen Umfeld – beispielsweise zur Sturzprophylaxe oder die Anschaffung nötiger Hilfsmittel. Für eine gute Nachbetreuung von Schlaganfallbetroffenen kann nach Ansicht des Experten eine Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (VERAH) eine wichtige Rolle spielen. Solche Assistenzkräfte führen zum Beispiel Hausbesuche durch, überprüfen die Medikation und leisten eine psychosoziale Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen.
Wie eine strukturierte ambulante Nachsorge die Versorgung der Patienten verbessern kann, zeigt das Projekt der Schlaganfall-Lotsen im nordrhein-westfälischen Ostwestfalen-Lippe (OWL). Mit bereits laufenden Modellprojekten wollen die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und ihre Partner diese Versorgung fest etablieren. Ein Schlaganfall-Lotse kümmert sich in der Region um den Patienten – von der Aufnahme in der Akutklinik bis zu einem Jahr nach dem Schlaganfall. Er dokumentiert alle Behandlungen, sorgt für die Information aller Dienstleister, informiert und berät den Patienten und seine Angehörigen, vermittelt ihm Hilfeangebote und motiviert ihn zu einer gezielten Sekundärprävention. Ein weiteres Nachsorge-Projekt folgt bald: Im Sommer 2018 startet das Projekt "Strukturierte ambulante Nachsorge nach Schlaganfall (SANO)", das wie auch das Lotsen-Projekt der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert wird. In 15 Regionen wird um eine Stroke Unit herum ein Netzwerk aus Hausärzten, Fachärzten, Therapeuten, Pflegenden, Sportvereinen und anderen Leistungsanbietern entstehen, das ein Schlaganfall-Koordinator aufbauen wird. Die Patienten werden durch die Hausärzte und die Klinik ein Jahr lang intensiv betreut. Komplikationen wie Depressionen und Stürze sollen dadurch möglichst vermieden beziehungsweise frühzeitig erkannt werden. "Die enge Zusammenarbeit von Klinik und Hausarzt steht im Mittelpunkt des Projekts", so Grau, Ansprechpartner von SANO. Mit den Ergebnissen der Studie wird nach drei Jahren gerechnet.
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