Die Psychiater des Amokläufers von Winnenden müssen sich nicht am Schadenersatz für die Opfer und Hinterbliebenen der Bluttat mit 16 Toten beteiligen. Das Landgericht Heilbronn wies am Dienstag eine entsprechende Klage vom Vater des Täters voll umfänglich ab. Die Experten des Zentrums für Psychiatrie in Weinsberg hätten die Amoktat des 17-jährigen Tim K. zu keiner Zeit vorhersehen können oder gar müssen, urteilte das Landgericht. Zwar seien damals Behandlungsfehler gemacht worden, diese seien aber nicht mitursächlich für die Tat.
Der Vater des Amokläufers hatte gefordert, dass die Ärzte und Therapeuten die Hälfte des Schadenersatzes übernehmen, den er an Opfer, Hinterbliebene, die Stadt Winnenden und die Unfallkasse zahlen muss. Das Landgericht hatte diese Summe auf vier Millionen Euro taxiert. Bei ersten Gesprächen mit den Experten wenige Monate vor der Tat hatte der Jugendliche gesagt, er habe oft Gedanken “andere umbringen zu wollen”. Auch von “alle erschießen” sei die Rede gewesen. Er wiederholte diese Absichten aber in späteren Gesprächen nicht.
Ein Gutachter erkannte zwar Behandlungsfehler. So hätten die Therapeuten nach diesen Äußerungen nicht ausreichend nachgefragt. Auch nach dem Zugang zu Waffen hätte gefragt werden müssen. Zudem seien Tests falsch ausgewertet worden. Allerdings gebe es keine denkbare Diagnose, die eine solche Tat auch nur ahnen lasse. Ursache für die Tat sei allein der freie Zugang zu Waffen im Elternhaus des Täters.
Der 17-jährige Tim K. hatte am 11. März 2009 an seiner ehemaligen Schule in Winnenden und auf der Flucht im nahe gelegenen Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschossen. Die Tatwaffe hatte sein Vater, ein Sportschütze, offen im Kleiderschrank liegen. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn später wegen 15-facher fahrlässiger Tötung zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe. Auch entschied das Gericht, dass der Mann für Behandlungskosten von Opfern und Hinterbliebenen aufkommen muss.
Auch bei fehlerfreiem Verhalten der Ärzte hätten sie die Gefahr, die von dem 17-Jährigen ausging, nicht erkennen müssen, urteilte das Landgericht. Konkrete Ankündigungen für die Tat habe es nicht gegeben. Auch seien die Tötungsgedanken in späteren Gesprächen verneint worden. Selbst wenn die Experten gewusst hätten, dass der Jugendliche freien Zugang zu Waffen hat, hätte dies “nicht den Rückschluss zugelassen, dass eine Amoktat im Raum steht”.
Über eine Berufung gegen das Urteil sei noch nicht entschieden, sagte der Anwalt des Vaters. Die Fehler der Ärzte seien “gravierend genug, um eine Verurteilung des Klinikums und seiner behandelnden Ärzte und Therapeuten zu begründen”. Seinem Mandanten gehe es allein darum, mehr Schadenersatz zu erzielen, welcher dann “allein den Opfern der schrecklichen Amoktat vom 11.03.2009 zugute hätte kommen sollen”.
Text und Foto: dpa /fw