In einem weltweit einmaligen Experiment legalisiert Uruguay den Marihuana-Verkauf, jeder Bürger kann sich registrieren lassen und für 1,30 Dollar je Gramm Cannabis in Apotheken kaufen - aus staatlich kontrolliertem Anbau. Aber einen Kiffer-Tourismus will man nicht.
Nein, Uruguay soll nicht zum Holland Südamerikas werden. Während in den Niederlanden der Marihuana-Verkauf in privaten Coffee-Shops Touristen aus dem Ausland anlockt, will Uruguay mit seinem weltweit einmaligen Experiment versuchen, die Produktion und Abgabe durch den Staat zu organisieren und zu lenken. Aber nur für Einheimische. Die Macht der Drogen-Clans soll damit gebrochen werden.
In den Niederlanden gibt es außerdem lediglich eine Tolerierung. Dieses Modell hat aus Sicht eines der Initiatoren des uruguayischen Gras-Gesetzes, Julio Calzada, zwei Nachteile. "Es regelt nur die Abgabe", sagt Calzado. "Die Droge wird legal verkauft, kommt aber aus einem illegalen Markt. Und es regelt nicht, wer Zugang bekommt." Er hat sich weltweit Modelle angeschaut und unter dem linken Präsidenten José Mujica (2010-2015) das 2013 beschlossene Gras-Gesetz erarbeitet. "Bei uns ist der Staat für die Einfuhr der Samen, die Produktion und den Verkauf zuständig. Und Käufer müssen sich registrieren lassen."
Nach langen Debatten startet nun die umstrittenste Etappe. Ab Juli wird es in rund 30 Apotheken neben Aspirin und Antibiotika auch Marihuana zu kaufen geben - für 1,30 Dollar das Gramm, billiger als beim Dealer. Zudem soll die Qualität durch den kontrollierten Anbau besser sein. Knapp 3000 Menschen haben sich dafür seit Anfang Mai registrieren lassen. Beteiligte Apotheken werden mit Alarmanlagen ausgerüstet, um gegen mögliche Überfälle gewappnet zu sein. Die Bürger dürfen in den Apotheken maximal zehn Gramm pro Woche kaufen.
Rund 40 Millionen Dollar pro Jahr verdienen Dealerbanden bisher, was wiederum andere kriminelle Aktivitäten wie Waffenkäufe und Geldwäsche begünstigt. 22 Unternehmen haben sich um den Hanfanbau beworben, zwei wurden vom Staat ausgewählt: Die International Cannabis Corporation (ICC), dessen Hauptaktionäre der Agrar-Unternehmer Juan Sartori und die kanadische Firma Dundee sind, sowie das Unternehmen Simbiosys.
Sie dürfen jeweils zwei Tonnen pro Jahr produzieren, mit je rund 15 000 Pflanzen. Die Anbaufläche, die sich ausgerechnet in der Nähe des Gefängnisses Libertad, westlich von Montevideo, befindet, gehört dem Staat und wird auch von staatlichen Sicherheitskräften bewacht. Die Produktionskosten belaufen nach Angaben auf etwa 0,60 US-Dollar pro Gramm. Der Staat zahlt den beiden Produzenten 0,90 US-Dollar.
Außerdem haben sich im Rahmen des Marihuana-Gesetzespakets bisher rund 6650 Menschen als private Hanfanbauer (nur für den eigenen Konsum) eingeschrieben. Es kann Kontrollen geben, wer mehr als die erlaubten sechs Pflanzen hat, muss mit Beschlagnahmungen rechnen.
Die dritte Möglichkeit ist die Registrierung für einen Cannabis-Club, mit jeweils 15 bis 45 Mitgliedern. Diese Vereine dürfen bis zu 99 Pflanzen anbauen; pro Mitglied dürfen 480 Gramm im Jahr konsumiert werden. Aber Uruguay soll jetzt nicht dauerhaft unter einer Grasglocke liegen. An Arbeitsplätzen und auf öffentlichen Plätzen darf nicht gekifft werden, und unter Gras-Einfluss darf man nicht am Steuer sitzen. Zudem kann man sich nicht zugleich für den Kauf in Apotheken, den Anbau zu Hause oder einen Club registrieren lassen.
Die Anzahl der regelmäßigen Konsumenten wird von der Regierung auf 55 200 Menschen geschätzt, mit einem Konsum von 26,5 Tonnen im Jahr. Wenn vier Tonnen nun staatlich angebaut werden, wird es weiter ein hohes Maß an illegalem Konsum geben, aber bis 2020 sollen 20 Tonnen legal angebaut werden dürfen, je nachdem wie das Experiment läuft.
Aber eines soll es eben nicht geben: ein Verkaufen an Touristen und Handel mit billigem Apotheken-Marihuana, das in Montevideo an Kiffer aus dem Ausland verkauft wird. Das wird schwer zu kontrollieren sein. Der Forscher am Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht, Pablo Galain, weist darauf hin, dass das eine Grauzone fördere. "Es wäre logisch, den Drogenmarkt im Rahmen einer Tourismus-Politik zu öffnen", meint er. "Weshalb soll ein Tourist bei einem einwöchigen Aufenthalt nicht unter Registrierung zehn Gramm kaufen können?"
Die Legalisierung heizte bereits mächtig die Gerüchteküche an. Im April musste die Drogenbehörde dementieren, dass man vorhabe, auch eine Variante des in Uruguay allgegenwärtigen Mate-Tee mit Cannabis zu genehmigen. In Deutschland zum Beispiel soll eine Cannabisagentur des Bundes den Hanfanbau zu medizinischen Zwecken steuern. Bisher haben rund 1000 Patienten eine Ausnahmegenehmigung für den Konsum.
Für sie werden 365 Kilogramm Cannabis pro Jahr benötigt - aber diese Mengen dürften kräftig wachsen. Daher sehen die beiden Anbauer in Uruguay gerade auch im Marihuana-Export lukrative Einnahmequellen.