Für die Freunde der Marihuana-Legalisierung ist es ein historischer Tag: Als erstes Land startet Uruguay den staatlichen Verkauf von Gras in Apotheken, auch der Anbau wird vom Staat organisiert. Das Ziel: den kriminellen Drogenbanden das lukrative Geschäft entziehen.
Ganz behutsam werden die Pflanzen untersucht, die Mitarbeiter der International Cannabis Corporation müssen Haarnetze tragen. Hier, unweit des Gefängnisses Libertad, wird in Uruguay in diesen Tagen eine neue drogenpolitische Geschichte geschrieben. Im Auftrag des Staates wird Marihuana angebaut, um es landesweit an interessierte Menschen zu verkaufen. Ganz legal, zum Schleuderpreis.
Was ist das einzigartige an dem Projekt, das seit Mittwoch läuft?
Produktion und Abgabe wird erstmals durch den Staat organisiert - das gab es noch nirgendwo. Die Macht der Drogen-Clans soll damit gebrochen werden. Wer kiffen will, konnte sich in den vergangenen Monaten registrieren lassen. Es gibt drei Optionen, man muss sich für eine entscheiden: Den Kauf in ausgewählten Apotheken, den Anbau von bis zu sechs Pflanzen daheim oder die Mitgliedschaft in einem Club, der Hanfpflanzen anbaut und jedem Mitglied bis zu 480 Gramm Eigenkonsum im Jahr gestattet.
Wie viel kostet das "Staats-Marihuana"?
Die Regierung hat den Preis auf 187,04 Peso für ein 5-Gramm-Päckchen festgelegt. Das entspricht knapp 1,30 Dollar pro Gramm, weit weniger als jene zwei bis drei Dollar, die auf dem Schwarzmarkt für das Gras gefordert werden. Zudem wird die besondere Qualität der Pflanzen hervorgehoben, die wohlbehütet von der International Cannabis Corporation (ICC) und dem Unternehmen Simbiosys angebaut werden.
Wer darf kiffen?
Die bisher rund 5.000 Konsumenten, die sich für den Kauf in Apotheken eingeschrieben haben, die knapp 7.000 registrierten privaten Hanf-Anbauer und die Mitglieder in bisher 63 genehmigten Cannabis-Clubs (mit je 15 bis 45 Mitgliedern). Insgesamt 13.500 Menschen, 70 Prozent Männer, 30 Prozent Frauen. Die Bedingung: Sie müssen über 18 Jahre alt und seit mindestens einem Jahr in Uruguay ansässig sein. Der Weiterverkauf - auch an Touristen - ist verboten. Ausländer bleiben außen vor, Kiffertourismus soll damit vermieden werden. Nur wer registriert ist, kann legal Marihuana einkaufen.
Was ist der Unterschied zu den Coffee-Shops in den Niederlanden?
In den Niederlanden gibt es nur eine Tolerierung. Die Droge wird legal verkauft, kommt aber vom Schwarzmarkt. Zudem gibt es keine Kontrolle, wer das Gras bekommt.
Wie funktioniert der Vertrieb?
In den rund 30 registrierten Apotheken muss sich der Konsument mit seinem elektronischen Fingerabdruck identifizieren. Über einen zentralen Speicher des staatlichen Cannabis-Instituts (IRCCA) wird der Verkauf von wöchentlich bis zu zehn und monatlich bis zu 40 Gramm pro Person genehmigt. Die beiden Unternehmen mit Genehmigungen dürfen zwei Tonnen Gras pro Jahr produzieren, mit jeweils rund 15.000 Pflanzen.
Wie kam es zur Legalisierung?
Der linke Staatschef José Mujica (2010-2015) kündigte die Initiative zur Legalisierung des Marihuana-Konsums im Juni 2012 an. Das Gesetz wurde im Dezember 2013 vom Parlament angenommen. Es stieß auf einige Skepsis in der linken Regierungskoalition und wurde von manchen Oppositionspolitikern begrüßt. Der liberale Präsident Jorge Batlle (2000-2005) hatte sich bereits zu Beginn seiner Amtszeit für die Legalisierung ausgesprochen. Die erste Gesetzesvorlage wurde 2010 von einem Abgeordneten der Nationalen Partei eingereicht: Luis Lacalle Pou.
Wird damit der illegale Markt zerstört?
Nein. Die Anzahl der regelmäßigen Konsumenten wird von der Regierung auf 55.000 Menschen geschätzt, mit einem Konsum von 26,5 Tonnen im Jahr, die vor allem aus dem benachbarten Paraguay nach Uruguay geschmuggelt werden. Bereits 2017 sollen den Drogenhändlern sieben Millionen US-Dollar an Umsatz entzogen werden. Nächstes Jahr sollen es dann 20 Millionen werden. Rund 40 Millionen pro Jahr verdienten Dealerbanden bisher. Da nur vier Tonnen staatlich angebaut werden, wird es aber vorerst auch weiterhin illegalen Konsum geben.
Wie ist die Lage in anderen Ländern?
In einigen US-Bundesstaaten ist der Anbau zu Hause in kleinen Mengen erlaubt. In Deutschland geht es vor allem um Zugang für kranke Menschen. Eine Cannabisagentur des Bundes soll den Hanfanbau steuern. Bisher haben rund 1.000 Patienten eine Genehmigung für den Konsum. Weil solche Modelle im Kommen sind, setzen die beiden zertifizierten Anbauer in Südamerika auch auf große Exportchancen für Gras "made in Uruguay". Aber die Frage ist: Lässt sich der legale Markt auch kontrollieren - oder wird das günstige Gras illegal weiterverkauft?