Ein kleines Coronavirus hat unlängst den medizinischen Fokus neu auf den Mann gerichtet. Plötzlich stehen Andrologie und Männergesundheit im weltweiten Interesse. Doch was wissen wir eigentlich 2021 über die Gesundheit des Mannes?
Andrologie und Männergesundheit erschöpften sich bisher eigentlich immer an Themen wie Fertilität und Kinderwunsch sowie Prostatabeschwerden bis hin zum Prostatakarzinom. Doch mit Auftreten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 änderte sich das schlagartig.
Insbesondere ältere Männer erkranken dieser Tage oft sehr viel schwerer als Frauen und können sogar an der neuen Erkrankung COVID-19 versterben. Ein möglicher Zusammenhang zwischen schweren COVID-19-Verläufen und dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron ließ die Anfragen bei Expert:innen für Andrologie und Männergesundheit zuletzt stark ansteigen.
Doch auch ohne Coronaviren können Andrologie und die Gesundheit des Mannes in der Praxis hohe Relevanz haben. Eine aktuell erschiene Arbeit aus Italien zeigte beispielsweise, dass auch niedrige Spermienzahlen im Ejakulat eines Patienten dessen erhöhtes Gesundheitsrisiko widerspiegeln können.
So ist bekannt, dass Männer mit zu wenigen, unbeweglichen und zudem fehlgeformten Spermien (Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom, OAT) ein bis zu dreifach höheres Risiko für Keimzelltumoren haben. Ebenso ist das Prostatakarzinom-Risiko bei diesen Männern annähernd doppelt so hoch.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Erektionsstörungen. Die erektile Dysfunktion tritt bekanntlich mit zunehmenden Alter häufiger auf. Jedoch können auch im Vergleich dazu noch junge Männer davon betroffen sein. Hier ist es notwendig, die Männer im Gespräch über die Männergesundheit im Allgemeinen und über die Risiken im Zusammenhang mit Erektionsstörungen aufzuklären. Erektionsstörungen können unter anderem hinweisend auf kardiovaskuläre Erkrankungen sein. So wissen wir bereits aus Studien, dass die vaskulär bedingte erektile Dysfunktion einen drohenden Herzinfarkt oder Schlaganfall mehrere Jahre im Voraus anzeigen kann.
Auch der Mangel an Testosteron stellt ein Gesundheitsrisiko für Männer dar. Bekannt ist, dass hypogonadale Männer beispielsweise häufiger zu Übergewicht, Diabetes mellitus und kardiovaskulären Erkrankungen neigen. Alles zusammengenommen ist bei diesen Patienten zudem die Mortalität erhöht.
Mithilfe einer mit Lebensstilveränderungen und Ernährungsumstellung kombinierten Testosteronsubstitution lässt sich ein laborbestätigter Hypogonadsimus heutzutage erfolgreich behandeln. Das Risiko für die Männergesundheit wird so reduziert. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass einige Studien andeuteten, dass zusätzlich eine Partner- oder Vaterschaft das Mortalitätsrisiko senken konnte.
Wie wichtig das Thema Männergesundheit für die ärztliche Praxis ist und auch zukünftig weiter werden wird, offenbart der Blick in die Statistiken. Demnach sind heute bereits etwa 60% der Männer Asiaten. Allerdings scheinen Männer weltweit Vorsorgemuffel zu sein und/oder einen riskanteren Lebensstil zu führen als die Frauen. Noch immer beträgt der Abstand in der Lebenserwartung zwischen Mann und Frau etwa 5 bis 7 Jahre, welche die Männer früher sterben. In Russland sind es sogar 12 Jahre!
Ebenfalls interessant sind die Veränderungen bei den Geschlechterverhältnissen mit Blick auf die Männergesundheit: Allein in China gibt es laut aktuellem Asian Male Health Report von 2020 ein Männerdefizit von 52 Millionen. Woran das liegt?
Zum einen haben unverheirate Männer ein rund dreimal höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Zum anderen sind in asiatischen Ländern, wie China oder Indien, nach wie vor 51% bzw. 61% der Männer Raucher. Hinzu kommt, dass in Asien etwa 7 Mal mehr Männer in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt sind als beispielsweise in Europa. Dies alles trägt gemeinsam mit dem sich abzeichnenden Männerdefizit dazu bei, dass Andrologie und Männergesundheit in den 2020ern wohl aufstrebende medizinische Fachdisziplinen werden könnten.
Australien entwickelte zuletzt sogar eine erste nationale Männergesundheitsstrategie 2050. Darin erklären die Beteiligten, dass es zukünftig gemeinsame Anstrengungen von Gesellschaft, Politik und Medizin geben müsse, um Männer besser über Gesundheitsthemen aufzuklären, die Akzeptanz für Früherkennungsuntersuchungen zu vergrößern sowie das allegemeine Gesundheitsbewusstsein zu stärken.
Bleibt abschließend nur zu hoffen, dass diese Ideen auch bei uns in Deutschland bald Fuß fassen werden und es im Bereich Männergesundheit nicht wieder eine Dekade länger dauert, bis wichtige Weichen gestellt sind, wie zuletzt bei der HPV-Impfung für Jungen zu beobachten war.
Quelle: UroAktuell 2021