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Untersuchung bei Verdacht auf Malignom

Die zytologische Untersuchung bei Verdacht auf Malignom: Zukunft der Krebserkennung?

Die zytologische Untersuchung bei Verdacht auf Malignom: Zukunft der Krebserkennung?

Auf der diesjährigen JP Morgan Annual Healthcare Conference (11. – 15. Januar 2016) in San Francisco (Kalifornien, USA) wurde die Gründung eines neuen biotechnologischen Unternehmens namens Grail verkündet, eine Ausgliederung von Illumina (San Diego, Kalifornien, USA; eines der weltweit größten Diagnostik-Unternehmen). Mit dem Illumina-Vorstandsvorsitzenden Jay Flatley und dem wissenschaftlichen Fachbeirat angeführt von José Baselga (Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, NY, USA) erklärte Grail, sei seine Mission “die Früherkennung von Krebs bei bislang asymptomatischen Patienten mittels einer Blutuntersuchung”. Flatleys Ziel ist es, eine solche für alle Tumorentitäten einsetzbare Untersuchung in nur drei Jahren zur Verfügung zu stellen.

Die Idee der Krebserkennung durch Untersuchung von Körperflüssigkeiten ist kein neues Konzept: Tatsächlich entwickeln viele andere Unternehmen Bluttests, um das Voranschreiten einer Krebserkrankung zu überwachen oder bislang asymptomatische Hochrisiko-Patienten per Screening herauszufiltern. Allerdings sind solche Tests bislang eher für spezifische Tumorentitäten entwickelt worden, als dass man mit einer einzigen Untersuchung alle asymptomatisch verlaufenden Krebserkrankungen basierend auf der im Blut zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) detektieren könnte. Ist das also ein realistisches Ziel? Und was wären die weiteren Folgen für Krebspatienten?

Das Zirkulieren der ctDNA im Blut von Krebspatienten ist ein wohlbekanntes Phänomen und wird für verschiedene Krebsentitäten immer besser untersucht und beschrieben. Dennoch ist bislang keine universelle ctDNA-Signatur bekannt, die man zum Screening für jedes beliebige Stadium jeder beliebigen Krebsart einsetzen könnte. Grail glaubt, dass dieser Umstand der Tatsache geschuldet ist, dass man bisher keine niedrigen Konzentrationen an ctDNA zu detektieren vermag, und dieser Beschränkung könnte man mit einem sensitiveren Bluttest beikommen. Aber eine höhere Sensitivität könnte zu einem vermehrten genetischen Rauschen führen, was es dann widerum erschweren könnte, zwischen Tumor-assoziierten DNA-Mutationen und nicht Tumor-assoziierten DNA-Mutationen zu unterscheiden – was schließlich zu einem erhöhten Risiko, falsch positive Ergebnisse zu erhalten, führen könnte. Darüber hinaus ist es wichtig, sich anderen Fragestellungen zu widmen, wie zum Beispiel was genau der Test messen würde und worin er unterscheiden könnte – so sind beispielsweise nicht alle Tumorarten mit eigenen gleichbleibenden frühen Genmutationen vergesellschaftet, und viele weisen multiple Mutationen auf, die in jedem Krankheitsstadium auf unvorhersehbare Weise zutage treten können. Ein universeller DNA-Test müsste also hochkomplex sein, es sei denn, man würde einen bisher unentdeckten Tumormarker für alle Tumorentitäten identifizieren. Außerdem wird die ctDNA nicht von allen Tumoren auf dieselbe Art und Weise ins Blutsystem abgegeben. Vielmehr hat die Forschung gezeigt, dass ctDNA-Konzentrationen nicht nur direkt mit der Tumorlast korrelieren, sondern auch mit der Fähigkeit, in den Blutkreislauf überzutreten und Hindernisse wie die Blut-Hirn-Schranke oder muzinöse Gewebe zu überwinden. Letztendlich muss sich jeder neue diagnostische Test einer klinischen Validierung unterziehen – ein notwendiger Schritt für die behördliche Zustimmung und alles andere als trivial.

Eine andere Frage ist, was Kliniker und  die Öffentlichkeit mit der Information über einen “Pan-Tumor-Test” machen werden. Das Grundprinzip hinter der Früherkennung ist, die Malignom-assoziierte Mortalität zu senken. Dennoch bleibt die Wertschöpfung aus einem Screening-Verfahren für asymptomatische beliebige Populationen umstritten, und man hat Sorge vor einer möglichen Übertherapie. Diese Übertherapie kann die Lebensqualität dramatisch einschränken; so befürworten zum Beispiel die aktuellen Leitlinien in verschiedenen Teilen der Welt die Prostatektomie nicht mehr auf der Basis von Screening-Ergebnissen und empfehlen statt dessen Watch-and-Wait-Strategien. Sollte also ein Patient, für den ein universeller Krebstest ein richtig positives Ergebnis erbracht hat, sofort behandelt werden? Und was wären die Auswirkungen für einen Patienten mit positivem Testergebnis entsprechend eines Populations-basierten Screening-Programms mit universellem Marker, der versucht, eine Krankenversicherung zu bekommen und möglicherweise über Jahre hinweg keine Behandlung – oder überhaupt keine Therapie – benötigt? Und ein weiteres Paradoxon könnte sich für solche Malignome ergeben, für die keine kurative Therapie bekannt ist. Ganz gleich, wie früh einige Tumoren entdeckt werden und welche Behandlungsoptionen für palliative Symptome verfügbar sind, ist der Kompromiss zwischen Früherkennung und psychologischer Belastung tatsächlich ein wünschenswertes Outcome?

Der Einsatz von Risikokapitalgebern und engen Zeitplänen in Grails Unternehmung spiegelt den wachsenden Trend in der klinischen und wissenschaftlichen Forschung wider, ein spezifisches klinisches oder wissenschaftliches Problem mit massiven Ressourcen anzugehen – in diesem Fall ungefähr 100 Mio. US Dollar – kombiniert mit dem öffentlichen Verlangen nach schnellen Lösungen. Ambitionen übersteigen manchmal reale Gegebenheiten und die Umsetzbarkeit eines Lösungsvorschlags, und Projekte können zu eng auf einen wissenschaftlichen Forschungsansatz fokussiert sein, bei dem Versuch, Deadlines gerecht zu werden. Möglicherweise ist die Fokussierung auf ctDNA zu Ungunsten anderer Biomarker und Netzwerke in der Tumorbiologie, wie zum Beispiel immunologische Signaturen, Proteome, Kinome, Mikrobiome und andere multifaktorielle Interaktionen in der Tumor-Mikroumgebung und Patienten-Antwort, eine Simplifizierung. Grails Bestrebungen in ihrem ambitionierten Umfang sind jedoch löblich, und es wird faszinierend sein, dabei zuzusehen, ob das Unternehmen sein Ziel erreicht.