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Unterschiede im Fettstoffwechsel von Darmkrebszellen entdeckt

Forschenden des Universitätsklinikum rechts der Isar an Technischen Universität München und am ZIEL – Institute for Food & Health – ist es erstmals gelungen, Unterschiede im Fettstoffwechsel von Darmkrebszellen zu belegen

Entdeckung der "molekularen Achillesferse" von Darmkrebszellen ermöglicht neuen Therapieansatz

Woher zieht ein bösartiger Tumor die Energie, die er braucht, um immer weiter wachsen zu können? Das ist eine zentrale Frage der Krebsforschung. Denn: Kennt man die Energiequelle, könnte man dem Tumor vielleicht die Zufuhr abschneiden, ihn sozusagen "aushungern". Die Grundlagen genau dafür haben jetzt Forscher:innen und Mediziner:innen der Technischen Universität München (TUM) am Universitätsklinikum rechts der Isar und am ZIEL – Institute for Food & Health – in Freising gelegt, in Kooperation mit Kolleg*innen der Universitäten in Regensburg, Dresden, Leiden (NL) und des Weill Cornell College in New York. Sie lieferten erstmals Belege dafür, dass sich der Fettstoffwechsel in gesunden Zellen der Darmschleimhaut und Darmkrebszellen "grundlegend unterscheidet", wie Prof. Klaus-Peter Janssen, Biologe in der Chirurgischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums rechts der Isar sagt. "Daraus könnten sich neuartige Möglichkeiten der Krebstherapie ergeben, die direkt im veränderten Stoffwechsel des Tumors ansetzen." Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden im Fachjournal "Gastroenterology" veröffentlicht.

"Einige Messungen deuteten bereits darauf hin, dass sich der Fettstoffwechsel in gesunden Zellen und Krebszellen deutlich unterscheidet", erklärt Janssen. Allerdings: Die Ergebnisse dieser Arbeiten waren sehr inkonsistent. So schienen einige der Untersuchungen solche Unterschiede zu belegen, andere ergaben ein gegenteiliges Ergebnis. "Diese Frage war bislang sehr umstritten", bestätigt Janssen.

Tumorgewebeproben per "Massenspektrometrie" analysiert

Um Klarheit zu schaffen, entnahmen Chirurg:innen am Klinikum rechts der Isar Gewebeproben aus operativ entfernten Tumoren von insgesamt 144 Patient:innen mit Darmkrebs. Die Betroffenen hatten vor dem Eingriff ihre Erlaubnis gegeben, die Proben für wissenschaftliche Zwecke nutzen zu dürfen. "Ohne die Unterstützung der Patient:innen wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen", betont Janssen. Die Gewebeproben wurden vor Ort umgehend aufbereitet und anschließend am ZIEL in Freising sowie an der Universitätsklinik Regensburg per "Massenspektrometrie" analysiert. Das ist ein biochemisches Verfahren, mit dem sich nach spezieller Vorbereitung Art und Masse bestimmter Moleküle in einem Gewebe quantitativ bestimmen lassen – in diesem Fall von rund 200 verschiedenen Lipiden.

Um zu belegen, dass die Messergebnisse keine Zufallsbefunde, sondern reproduzierbar sind, wurden die Patient:innen zwei Gruppen ("Kohorten") zugeteilt, die entnommenen Gewebeproben separat analysiert, um die Ergebnisse anschließend miteinander zu vergleichen. Ergänzend wurden Analysen von Gewebeproben einer weiteren Gruppe von 20 Darmkrebs-Patient:innen verglichen, die an der Universität Dresden unabhängig davon untersucht worden waren.

Spezifische Lipid-Signatur von Darmkrebszellen belegt

So konnten die Forscher:innen in allen drei Kohorten den Beleg dafür liefern, dass "Darmkrebszellen tatsächlich eine spezifische Lipid-Signatur haben", sagt Janssen, dass sie also ein bestimmtes Muster verschiedener Lipid-Moleküle aufweisen – "gewissermaßen ein Fingerabdruck, mit dem sich sehr zuverlässig Krebszellen von normalen Zellen unterscheiden lassen. Diese Signatur hat auch prognostische Bedeutung, erlaubt also Aussagen über den Krankheitsverlauf."

Die Veränderungen im "Lipidom", der Gesamtheit der Lipide in einer Zelle, betraf dabei hauptsächlich sogenannte Sphingolipide und Glycerolipide. Diese Unterschiede spiegelten sich auch auf genomischer Ebene wieder: So konnten die Forschenden nachweisen, dass die Aktivität bestimmter Gene, die den Bauplan für verschiedene Enzyme liefern, ebenfalls stark verändert war. Enzyme sind funktionelle Eiweiße, die unter anderem wichtig für die Herstellung von Stoffwechselprodukten wie Lipiden sind. Genau hier könnte man ansetzen, um Krebszellen die Energiezufuhr abzuschneiden und so ihr Wachstum zu bremsen – indem man Wirkstoffe findet, die gezielt einzelne dieser Enzyme aktivieren oder hemmen, um so den Krebs medikamentös auszuhungern.

Enge Kooperation von Forschenden dabei entscheidend

Ganz entscheidend für den Durchbruch in der umstrittenen Frage nach Unterschieden in der Lipid-Signatur war dabei die enge Zusammenarbeit und räumliche Nähe von Forscher:innen und Mediziner:innen im Universitätsklinikum rechts der Isar sowie die Kooperation mit den Kolleg:innen der TUM in Weihenstephan, die es in dieser Form nur selten gibt.

Dabei war sie hier ganz besonders wichtig. Denn: "Lipide in Gewebeproben sind besonders sensible Moleküle, die sich zum Teil rasch verändern und leicht zerfallen", erklärt Janssen. Wird entnommenes Tumorgewebe daher nicht sofort nach der Entnahme schockgefroren, fachgerecht weiterverarbeitet und gelagert, ist ein Teil der besonders empfindlichen Lipide bereits zerstört und das Ergebnis der Analyse somit verfälscht. Genau das könnte möglicherweise ein Grund für die Inkonsistenz bisheriger Studien gewesen sein: Nicht überall ist so eine enge Zusammenarbeit gewährleistet. Dass eine Lagerung von Gewebeproben unter nicht optimalen Bedingungen und über längere Zeit das Lipid-Muster verändert, konnten Janssen und seine Kolleg:innen in ihrer aktuellen Arbeit ebenfalls klar belegen. Sie konnten zeigen, dass manche Lipide in Gewebeproben stabil bleiben, somit gut als "Biomarker" geeignet sind, andere dagegen rasch abgebaut werden, zum Teil bereits eine Stunde nach der Operation völlig verändert sind.
 

Im Bild: Lichtmikroskopische Aufnahme eines gefärbten Gewebeschnitts eines Darmtumors, Lipide (Triglyceride, Neutralfette) sind leuchtend rot gefärbt, die Zellkerne in Blau (Färbung mit Ölrot-O und Hämatoxylin).

Originalpublikation:
Klaus-Peter Janssen et al.: The Colorectal Cancer Lipidome: Identification of a Robust Tumor-Specific Lipid Species Signature. Gastroenterology, 14 May 2021.