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Ukraine: So schnell wie möglich in Notfallmedizin ausbilden

Die Europäische Gesellschaft für Notfallmedizin bereitet Lehrvideos vor, um das ukrainische Gesundheitspersonal so schnell wie möglich zu schulen. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der WHO-Akademie durchgeführt.

Interview mit Dr. Khoury, Vorsitzender der EUSEM

Übersetzt aus dem Französischen

Abdo Khoury ist ein französischer Notfallmediziner. Seit 2020 ist er Vorsitzender der Europäischen Gesellschaft für Notfallmedizin, EUSEM (European Society for Emergency Medicine). Die EUSEM vereint 36 nationale Gesellschaften für Notfallmedizin, darunter auch die ukrainische Gesellschaft ARCEM (All-Ukrainian Resuscitation Council and Emergency Medicine).

Dr. Khoury, gibt es Neuigkeiten aus der Ukraine?

Ja, wir verfolgen die Situation sehr genau. Wir hatten diese Woche drei Meetings mit unseren in Kiew ansässigen Kollegen von der ARCEM. Bereits am 25. Februar hat die EUSEM öffentlich ihre Unterstützung für die ukrainischen Notärzte zum Ausdruck gebracht und anschließend die Tatsache verurteilt, dass Angehörige der Gesundheitsberufe zur Zielscheibe gemacht werden.

Wie kann die EUSEM den Ärzten vor Ort helfen?

Wir sind eine wissenschaftliche Gesellschaft. Unsere Aufgabe ist es nicht, Personal oder Ausrüstung zu entsenden. Also tun wir das, was wir gut können: Wir bringen so schnell wie möglich das entscheidende Wissen, das unsere notfallmedizinischen und nicht notfallmedizinischen Kolleginnen und Kollegen vor Ort benötigen.

eusem-logo.pngDie EUSEM arbeitet mit der WHO über deren Akademie zusammen, um im Notfall einminütige Lehrvideos für Gesundheitsfachkräfte vor Ort vorzubereiten. Wie geht man mit einem Massenansturm von Verletzten um? Wie richtet man die Triage ein? Wie legt man Bereiche für Verletzte fest, die laufen können und solche, die nicht laufen können? Wie legt man ein Tourniquet an? Wie behandelt man einen Pneumothorax? Wir beantworten diese Fragen mit recht kurzen Lehrvideos.

"Es geht um Effizienz: Unsere Kollegen in der Ukraine müssen sich schnell weiterbilden können, ohne Stunden auf Youtube zu verbringen."

Dr. Abdo Khoury


Dabei geht es vor allem um Effizienz: Unsere Kollegen in der Ukraine sollen sich schnell weiterbilden können, ohne stundenlang auf Youtube zu surfen. Vor allem aber möchten wir die Videos zum Herunterladen bereitstellen, damit sie auch in den Luftschutzbunkern oder bei Internetunterbrechungen darauf zugreifen können.

Wir arbeiten mit Hochdruck an der Produktion dieser Videos, damit wir die ersten innerhalb von acht Tagen online stellen können. Falls nötig, werden wir die Videos mit Links zu Informationsquellen versehen, die von der EUSEM als zuverlässig eingestuft werden. Diese Videos werden Open Source sein und auf der Website der WHO-Akademie zusammengetragen werden. Selbstverständlich tut die EUSEM dies kostenlos und überlässt alle Urheberrechte der WHO. 

Was ist die Akademie der WHO?

Diese Akademie wird sozusagen zum "Ausbildungszentrum" der WHO. Die Gebäude, die sich in Lyon (Frankreich) befinden, werden 2024 fertiggestellt, aber es werden bereits Schulungen durchgeführt. Die EUSEM wird ein Partner der Akademie. 

Die WHO-Akademie soll eine einzigartige Schulungsplattform für alle globalen Akteure des Gesundheitswesens werden. Ziel ist es, dass die Empfehlungen der WHO schneller vor Ort umgesetzt werden können. Diese Schulungen werden überwiegend im Fernunterricht stattfinden und sich stark auf künstliche Intelligenz, virtuelle Realität und Simulationen stützen. 

Eines der ersten Projekte der Akademie war die Entwicklung eines Schulungsprogramms zum Thema Massenansturm von Verletzten in Notaufnahmen. Wie kann eine Notaufnahme, egal in welchem Land und mit welchen Ressourcen, einen plötzlichen Zustrom von Verletzten bewältigen? Die Herausforderung besteht darin, ein Modell anzubieten, das überall auf der Welt reproduzierbar ist. Die Lehrteams setzen sich aus Ärzten und Krankenschwestern zusammen.

Diese Ausbildung ist eine Präsenzausbildung. Sie wurde bereits in einem Dutzend Länder angeboten, darunter die Türkei, Armenien, Belgien und Griechenland. Derzeit läuft ein Kurs in Katar, um die Krankenhäuser auf Zwischenfälle während der Fußballweltmeisterschaft vorzubereiten. Die Videos, die wir für die ukrainischen Kolleginnen und Kollegen vorbereiten, sind Zusammenfassungen der Module dieses Kurses.

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