Behandelt werden, und zwar schnell: In Zeiten überfüllter Notaufnahmen treten Patienten und deren Angehörige nach Klinikangaben zunehmend aggressiv auf. “Wir haben eine Reihe von Übergriffen gehabt, gerade auf die Pflege”, sagte Martin Möckel, Leiter dreier Charité-Notaufnahmen in verschiedenen Bezirken. “Eine Kollegin, die bedroht worden ist, war wochenlang nicht arbeitsfähig.” Für die Mitarbeiter seien solche Fälle “katastrophal”, selbst wenn Betroffene nicht unmittelbar körperlich angegriffen, sondern vielleicht nur in die Ecke gedrängt oder beschimpft wurden.
Auch an anderen Kliniken ist die Problematik bekannt, die meisten Rettungsstellen verfügen demnach über einen eigenen Wachschutz oder sind froh über Polizeidirektionen in der Nachbarschaft. Aber nicht alle sprechen wie Möckel von einer Zunahme: Hin und wieder seien Patienten aggressiv, verwirrt oder stünden unter Drogen, sagte die Sprecherin des Unfallkrankenhauses in Berlin-Marzahn, Angela Kijewski. Bei kommunalen Versorger Vivantes hieß es, Vorfälle gebe es immer wieder, aber über eine Statistik verfüge man nicht.
Eine Wachdienststreife hat auch Möckel inzwischen einsetzen lassen, er berichtet von einem neuen Sicherheitskonzept. Die Zeit der offenen Türen in Notaufnahmen ist damit vorbei, Behandlungsbereiche sind nicht mehr für jedermann zugänglich. Wer vom Wartebereich in einen anderen Raum will, muss klingeln.
“Wir planen derzeit bei ohnehin geplanten Baumaßnahmen in den Notaufnahmen gezielt den Empfangsbereich unter Sicherheitsaspekten neu zu strukturieren”, erklärt auch Tanja Kotlorz, Sprecherin der DRK Kliniken Berlin. Sie berichtet von gelegentlich vorkommenden verbalen Attacken, aber auch körperlichen Übergriffen.
Als Ursachen für die Stimmungslage vermutet Möckel die hohe Auslastung der Rettungsstellen, was für Patienten ohne wirklich dringliche Verletzungen zu Wartezeiten führe. Je weniger krank ein Patient sei, desto aggressiver sei er und desto schneller wolle er behandelt werden, so die Erfahrung in der Charité. Möckel sieht zudem allgemein eine steigende Gewaltbereitschaft in der Öffentlichkeit.
Kaum eine Klinik berichtet angesichts potenzieller Übergriffe nicht von speziellen Trainings, in denen Mitarbeiter der Rettungsstellen lernen, Situationen zu beruhigen. Auf dem Stundenplan stehen Themen wie Deeskalation, Kommunikation und Krisenbewältigung. Möckel von der Charité ist allerdings etwas skeptisch: Mitarbeiter kämen in kritischen Situationen gar nicht dazu, das Wissen aus solchen Kursen anzuwenden, meint er. “Gerade wenn es voll ist.”