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Trotz COPD in Bewegung: Medikation und Motivation gehören zusammen

Wie lassen sich COPD-Patienten zu mehr körperlicher Aktivität motivieren und welche Rolle spielt dabei der Inhalator? Eine aktuelle Studie ist dieser Frage nachgegangen und liefert neue, teilweise überraschende Erkenntnisse.

Geringe Symptomlast kann täuschen – gemessene Belastungsfähigkeit auch

Wie lassen sich COPD-Patienten zu mehr körperlicher Aktivität motivieren und welche Rolle spielt dabei der Inhalator? Eine aktuelle Studie ist dieser Frage nachgegangen und liefert neue, teilweise überraschende Erkenntnisse.

Bei der Behandlung von COPD-Patienten geht es neben der Linderung von Beschwerden um die Minderung drohender Risiken in Form von Krankheitsprogression, Exazerbationen und Mortalität. Dabei spielt die körperliche Aktivität der Patienten eine entscheidende Rolle. Sie nimmt bereits in frühen Stadien der COPD ab. Auch umgekehrt wird aus dem Zusammenhang ein Schuh: Die körperliche Inaktivität ist nicht nur eine Folge, sondern auch ein Entstehungsfaktor der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.

Mitunter ist die Symptomlast trotz miserabler Lungenfunktionswerte erstaunlich gering. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen, denn nicht selten steckt eine Vermeidungsstrategie hinter diesem Phänomen: Die Patienten unterlassen körperliche Anstrengungen, um keine Belastungsdyspnoe zu provozieren.      

Der Marburger Pneumologe Prof. Claus Vogelmeier wies kürzlich in einem Pressegespräch1 für Fachmedien (Veranstalter: Berlin-Chemie) auch noch auf eine andere Täuschungsgefahr hin: Die auf dem Fahrrad-Ergometer oder auf der 600-Meter-Gehstrecke gemessenen Werte können ein trügerisches Bild vermitteln. Denn Belastungsfähigkeit ist nicht gleich körperliche Aktivität.

"Das Aktivitätssignal ist als unabhängiger Risikofaktor in allen Schweregraden der COPD sichtbar", betonte PD Dr. Henrik Watz vom Pneumologischen Forschungsinstitut der Lungenclinic in Großhansdorf. Als Erstautor stellte er die frisch publizierten Ergebnisse der ACTIVATE-Studie2 vor. Es ist eine von drei aktuellen Studien mit dualen Bronchodilatatoren, in deren Design Erwartungen an die körperliche Aktivität integriert wurden. Den Wissenschaftlern ging es um die Frage: Welche Effekte können mit der LAMA/LABA-Kombination Aclidinium/Formoterol auf die Lungenüberblähung, die Belastbarkeit und die körperliche Aktivität im Alltag erzielt werden?

Neues Studiendesign: duale Bronchodilatation und körperliche Aktivität

Die 8-wöchige randomisierte, placebokontrollierte Phase-IV-Studie beendeten 250 Patienten mit moderater bis schwerer COPD aus verschiedenen europäischen Studienzentren. Das Durchschnittsalter betrug etwa 62 Jahre. Alle Studienteilnehmer hatten eine Raucheranamnese (im Mittel über 47 Packungsjahre), zwei Drittel waren aktive Raucher. Die FEV1-Ausgangswerte nach Bronchodilatation lagen zwischen 40 und 80 Prozent, alle Patienten wiesen bereits ein gewisses Dyspnoe-Niveau auf (mMRC-Grad ≥ 2).

Die Patienten im Verum-Arm benutzten über 8 Wochen den erwähnten Inhalator mit der Aclidinium/Formoterol-Kombination (A/F), die Kontrollgruppe dagegen Placebo. In Woche 5-8 erhielten alle Studienteilnehmer einen am Gürtel befestigten Schrittezähler und ein App-basiertes Telecoaching mit täglichen Vorgaben (morgens), Rückmeldungen (abends) und Erinnerungen. Ziel war es, die körperliche Aktivität jeweils um 500 Schritte pro Tag – was etwa einem 10-minütigen Spaziergang entspricht – zu steigern oder wenigstens das erreichte Niveau zu halten.

Als Untersuchungsmethoden kamen Spirometrie, Bodyplethysmographie, Fahrrad-Ergometer und Aktivitätsmonitore mit triaxialem Akzelerometer zum Einsatz. Außerdem diente ein spezieller Fragebogen dazu, neben dem Ausmaß der körperlichen Aktivität auch die Schwierigkeit zu erfassen, die die COPD-Patienten damit hatten ("difficulty domain").

Die Ergebnisse der Studie haben ihre Autoren teilweise überrascht. Die funktionelle Residualkapazität morgens vor der Dosisverabreichung (Trough-FRC) verbesserte sich nach 4 Wochen unter der inhalativen Therapie gegenüber Placebo erwartungsgemäß. Allerdings wurde die statistische Signifikanz dieses primären Endpunkts knapp verfehlt. Der Grund waren "vier Ausreißer mit zweifelhaften Messergebnissen", wie Watz erklärte. Ohne sie ergab sich eine signifikante FRC-Erhöhung um 200 ml.

Lungenentblähung steigert Übungsdauer und Schrittezahl

Signifikant waren auch die Unterschiede bei den anderen Lungenfunktionswerten wie etwa FRC nach Inhalation, Residualvolumen und Inspirationskapazität (IC). Hinsichtlich der Einsekundenkapazität vor Inhalation (Trough-FEV1) war der Behandlungseffekt sogar größer als in den Pilotstudien. Die verbesserte Lungenfunktion steigerte messbar die Belastbarkeit der Probanden. Die medikamentöse Reduktion der statischen Lungenüberblähung ermöglichte ein längeres Durchhaltevermögen als in der Plazebo-Gruppe und die Minderung der dynamischen Lungenüberblähung führte zu einer um 200 ml erhöhten Inspirationskapazität am Übungsende. "Ein schönes Ergebnis", so Watz.

Und wie war es nun mit der körperlichen Aktivität? Unter inhalativer Therapie legten die Patienten in den ersten vier Wochen überraschend stark zu: um über 600 Schritte pro Tag. Der Anteil an inaktiven Patienten (weniger als 6.000 Schritte am Tag) war mit einer Odds Ratio von 0,27 deutlich niedriger als in der Placebo-Gruppe, in der die tägliche Schrittzahl um über 100 abnahm.

In Woche 5-8 änderten sich die Kurvenverläufe: Unter der mobilen Motivation mühten sich die Teilnehmer ohne echte Medikation zu 250 Schritten mehr am Tag, während die Patienten im Verum-Arm ihr zuvor erreichtes Niveau beibehielten. Nach 8 Wochen lagen sie also noch mit einer Differenz von über 500 zusätzlichen Schritten am Tag vorn.

Zum Vergleich: In Reha-Studien wurde (unter Medikation) über einen Zeitraum von 3 Monaten ein durchschnittliches Plus von 800 Schritten ermittelt.

Allerdings gab es in der ACTIVATE-Studie neben dem quantitativen auch einen qualitativen Unterschied hinsichtlich der gesteigerten Bewegungsaktivität: Während sie den Patienten unter Inhalator-Nutzung vergleichsweise leicht fiel, war sie für die Patienten, die nur Placebo erhielten, eine mühselige Angelegenheit. Es sind also unterschiedliche Nachhaltigkeitseffekte zu vermuten – für die Praxis ein relevanter Befund. Zumal mit steigender Schrittzahl in leichter Intensität die Hospitalisationsrate unter COPD-Patienten linear abnimmt, wie in einer anderen Studie gezeigt wurde.

Fazit für die Praxis

Die Lungenentblähung über geeignete Medikamente ist der erste notwendige Schritt. Der zweite ist dann die Umsetzung einer angemessenen körperlichen Aktivität des Patienten im Alltag, um seine Prognose auch tatsächlich zu verbessern.

Von dem Berliner Pneumologen Dr. Thomas Schultz kam am Ende der Veranstaltung noch der Hinweis auf das von Berlin-Chemie initiierte Therapiebegleitungsprogramm "TheraKey". Es unterstützt den Arzt mit produktneutralen und wissenschaftlich geprüften Inhalten bei der Patienten-Kommunikation. Den Zugang zum Onlineportal erhalten Patienten ausschließlich über ihren Arzt. COPD ist eine von acht bisher abgedeckten Indikationen. Ob mit oder ohne Telecoaching-App: Das motivierende Patientengespräch zur Lebensstiländerung bleibt eine zentrale und herausfordernde Aufgabe für jeden Behandler.

Abkürzungen:
FEV1 = Einsekundenkapazität
mMRC = modified Medical Research Council (dyspnea scale)

Referenzen:
1. Sommerworkshop Fachmedien – Brimica® Genuair®: Neue Studie setzt neue Maßstäbe. Veranstalter: Berlin-Chemie AG. Berlin, 29.08.2017.
2. Watz H et al. ACTIVATE: the effect of aclidinium/formoterol on hyperinflation, exercise capacity, and physical activity in patients with COPD. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2017;12:2545-58.