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Terminservicegesetz: Fachärzteverband befürchtet Zweiklassenmedizin

Das Terminservicegesetz (TSVG) gerät seitens der Ärzteschaft immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik. Statt einer versprochenen schnelleren Terminvergabe wird das Gesetz nach Einschätzung maßgeblicher Kritiker zum Turbolader für eine Mehrklassenmedizin.

BVNF-Vorsitzende wirft Spahn Unkenntnis und mangelnde Wertschätzung vor

Das Terminservicegesetz (TSVG) gerät seitens der Ärzteschaft immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik. Statt einer versprochenen schnelleren Terminvergabe wird das Gesetz nach Einschätzung maßgeblicher Kritiker zum Turbolader für eine Mehrklassenmedizin. Die Folge sei der Rückzug der Vertragsärzte aus der Kassenmedizin. Die Reduktion auf das sowohl zeitlich als auch inhaltlich "Notwendige" wird nach Einschätzung des Bundesverbandes niedergelassener Fachärzte (BVNF) zu einer Verschlechterung statt Verbesserung in der ambulanten Versorgung der Kassenpatienten führen. Die verpflichtende TI-Anbindung bietet keinen Schutz mehr für die persönlichen Krankheitsdaten. Für viele Vertragsärzte ist diese Entwicklung das Rückzugssignal, um die Kassenarzttätigkeit vorzeitig ganz oder sukzessive zu Gunsten einer privatärztlichen Wahlarzt-Tätigkeit aufzugeben.

"Das TSVG schießt die Praxen sturmreif für die Einführung der Staatsmedizin in Deutschland", analysiert der BVNF-Sprecher Dr. Wolfgang Bärtl, niedergelassener Orthopäde in Neumarkt/Opf. die angespannte Situation für seine Kollegen. "In bisher noch nie dagewesener Brutalität greift das zur Verabschiedung anstehende Lieblingsgesetz von Jens Spahn in die Selbstverwaltung, die Selbständigkeit und Freiberuflichkeit der niedergelassenen Vertragsärzte ein", zeigt sich der erfahrene Mediziner aufgeschreckt. 

Neben einer einseitig diktierten Erhöhung der Mindestsprechstundenzeit der Ärzte um 25 Prozent ohne adäquaten Honorarausgleich mische sich das Gesetzeswerk über zwingend vorgeschriebene und zu kontrollierende "offenen Sprechstunden" für bestimmte Fachgruppen direkt in den bislang persönlich gestalteten Praxisablauf der niedergelassenen Ärzte ein.

Unkenntnis am Grünen Tisch

Finanzielle Anreize für schnellere Termine für Neu-Patienten und kommunikationsgeübte Hilfesuchende würden gerade ältere und chronisch kranke Patienten ins Hintertreffen bringen. "Es wird naturgemäß nicht mehr, sondern schlichtweg nur andere Termine geben", kritisiert Bärtl die gesetzlich vorgeschriebene Fehlentwicklung. "Es zeugt von Unkenntnis und mangelnder Wertschätzung gleichermaßen, wenn ein Minister glaubt, dass er die bewährten Organisationsabläufe in den Praxen vom grünen Tisch aus verbessern könnte", so bezweifelt die BVNF-Vorsitzende, die Regensburger Internistin Dr. Ilka Enger.

Abwanderung und Resignation

Angesichts dieser tiefgreifenden Eingriffe in ihre Selbständigkeit und Freiberuflichkeit werden gerade die an der Altersgrenze stehenden Vertragsärzte mit einer vorzeitigen Aufgabe ihrer Kassenarzttätigkeit liebäugeln und die Jüngeren sukzessive auf ein individuelles, patientenzentriertes, qualitativ optimales und datensicheres Wahlarztsystem wechseln. "Das Abwandern der selbständigen Ärzte in den vorgezogenen Ruhestand bzw. in die Privatmedizin wird große Lücken hinterlassen, wenn man berücksichtigt, dass die sie ersetzenden angestellten Ärztinnen und Ärzte bekanntlich 30 Prozent weniger Leistung erbringen. Der kassenmedizinische Versorgungsnotstand in Deutschland wird mit diesem Gesetz beschleunigt. Der Zweiklassenmedizin wird sogar Vorschub geleistet", befürchtet Enger.

"Noch ist Zeit, mit den Ärzten an der Basis in einen echten Dialog zu treten", ermuntert Bärtl den Bundesgesundheitsminister, "das Ruder herumzureißen, um wirklich wirksame Instrumente wie die Stärkung und Entbudgetierung aller haus- und fachärztlichen Grundleistungen im Gesetz zu implementieren. Nur so bekommen unsere Patienten mehr und schnellere Termine bei Fachärzten – sonst bekommen sie eben nur andere und davon noch weniger."

Quelle Text und Bild: BVNF