Suizid ist ein weltweites Gesundheitsproblem, mit 800.000 Suizidfällen pro Jahr, die bekannt werden und geschätzten 16 Millionen Episoden von Autoaggression. Unter den 15- bis 29-Jährigen ist der Suizid die zweithäufigste Todesursache, unter jungen Frauen sogar die häufigste. In Japan, Indien, China und Russland ist die Suizidlast besonders hoch – jedoch mangelt es an Vergleichen zwischen den Ländern bezüglich der Seriosität aufgrund unterschiedlicher Standards hinsichtlich einer zuverlässigen Dokumentation zur Mortalität. In England sind die Suizidraten unter Männern dreimal höher als unter Frauen; die höchsten Raten sind für Männer zwischen 40 und 54 Jahren gefunden worden.
Zwei Berichte, die letzten Monat veröffentlicht wurden, befassen sich mit der Suizidprävention. In Großbritannien wurden im jährlichen Bericht des National Confidential Inquiry into Suicide and Homicide by People with Mental Illness (nationale Umfrage zu Suiziden bei Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen) Erfahrungen resümiert, die man in den vergangenen 20 Jahren thematisiert hat. In den Vereinigten Staaten hat ein Gremium, das von den National Institutes of Health einberufen wurde, einen Zehn-Jahres-Fahrplan entwickelt – mit dem Ziel, die Suizidprävention bei jungen Leuten voranzubringen.
Zu den entscheidenden Ergebnissen des britischen Reports gehört ein starker Anstieg von Suiziden unter Patienten mit psychischen Erkrankungen in England. Zwischen 2004 und 2014 waren 28 Prozent der Suizidpatienten in einem Zeitraum von bis zu zwölf Monaten vor ihrem Tod in professioneller psychischer Behandlung. Die Zahl der Suizide unter hospitalisierten Patienten fiel, teilweise aufgrund der Entfernung von festen Konstruktionen auf den Krankenhausstationen, an denen sich suizidale Patienten erhängen könnten. Dagegen sind die Suizide unter Patienten mit Anbindung an Kriseninterventionsteams deutlich gestiegen, wobei ein Drittel zwei Wochen vor ihrem Tod aus dem Krankenhaus entlassen wurde und 43 Prozent allein lebten. Am häufigsten erfolgte Suizid durch Erhängen, tödliche Intoxikationen – besonders durch Opiate – nahmen den zweiten Rang ein. Sprünge aus großer Höhe oder vor einen Zug, erwiesen sich als die dritthäufigste Wahl. Bei über der Hälfte der Patienten war in der Vorgeschichte Alkohol- oder Drogenmissbrauch bekannt. In den vergangenen 20 Jahren zählten Vereinsamung, eine schwierige finanzielle Lage und eine Tendenz zur Selbstverletzung zu den Risikofaktoren.
Zu den Schlüsselinformationen aus dem klinischen Bereich gehört, dass Kriseninterventionsteams wahrscheinlich keine sichere Alternative für den Umgang mit akut suizidalen Patienten sind, besonders wenn sie allein leben. Bei den Patienten sollte zwei bis drei Tage nach der Klinikentlassung eine Nachuntersuchung erfolgen; entsprechende Behandlungspläne sollten realisiert werden. Die Therapie von Alkoholikern und Drogenabhängigen muss sichergestellt werden, mit der Verschreibung von Opiaten sollte möglichst restriktiv umgegangen werden. Und besonders für Männer mit psychiatrischen Erkrankungen sollte Hilfe auch auf innovativem Wege erreichbar sein, zum Beispiel online oder im nicht klinischen Setting.
Unsicherheiten bestehen nach wie vor in der Suizidprävention. Hier ist weitere Forschung nötig. Was medikamentöse Behandlungsoptionen angeht, so besteht ein deutlicher Hinweis darauf, dass Antidepressiva das Suizidrisiko bei Patienten mit Depressionen senken, obwohl hier gleichzeitig das Risiko vermehrter Suizidgedanken, die sich im Rahmen der Therapie entwickeln können, besteht. Clozapin, Lithium und seit neuestem auch Ketamin können bei einigen Patientengruppen wirksam sein – obwohl zum letztgenannten weiterer Forschungsbedarf besteht. Außerdem mangelt es weiterhin an ausreichender Evidenz für psychologische Strategien, wie beispielsweise der kognitiven Verhaltenstherapie. Hier seien Schul- oder Internet- sowie Helpline-basierte Ansätze zur Suizidprävention genannt.
Empfehlungen aus dem US-amerikanischen Bericht beinhalten Methoden zur Verbesserung der Patientenüberwachung, indem Daten aus verschiedenen Quellen miteinander verlinkt werden, mit dem Ziel, Daten verschiedener Patientenpopulationen zusammenzuführen und Klinikern so zu helfen, effektive Strategien zur Suizidprävention zu erkennen und den Fokus auf die Eliminierung von Stigmata zu richten, die suizidalen Patienten anhaften.
Unter jungen Leuten in Großbritannien steigen die Suizidraten, mit jährlich 160 Suiziden in den vergangenen 20 Jahren – möglicherweise ist dies auf den Ausbildungsstress zurückzuführen. In Ost- und Südostasien sind Suizide bekanntermaßen mit akademischem Druck assoziiert und auch in England gibt es Hinweise darauf. Internet-basiertes oder direktes Mobbing zählen möglicherweise auch zu den Risikofaktoren. Trauerfälle sowie chronische Erkrankungen erhöhen unter jungen Leuten, Kindern, aber auch unter Erwachsenen ebenso das Suizidrisiko. Genetische Faktoren, die persönliche Anamnese sowie aktuelle Stressoren sind allesamt wichtig, aber während Therapieentscheidungen auf der Basis individueller Risikoprofile getroffen werden sollten, sind Fragebögen zum Ankreuzen wenig hilfreich.
Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens, die den Zugang zu suizidal verwertbaren Mitteln erschweren, sind dagegen sinnvoll. So zum Beispiel Schranken an Suizidhotspots, wie an hohen Brücken. Die Einrichtung von telefonischen Notrufzentralen oder Aufrufe über lokale Medien, können helfen, Suizide zu verhindern.
Die Suizidprävention ist kein hoffnungsloses Unterfangen. Sie ist sowohl in psychiatrischen Einrichtungen als auch auf der Ebene des alltäglichen Lebens realisierbar. Zielgerichtete Ansätze zur Unterstützung von Hochrisikopatienten können helfen, während der Schaffung einer sicheren Umwelt sowohl in als auch außerhalb der Klinik eine Schlüsselrolle zu erfüllen. Allerdings dürfen die Angehörigen von Suizidpatienten nicht vergessen werden. Während eine immer differenziertere Epidemiologie eine effektive Suizidprävention unterstützen kann, gibt es ebenso ein zeitloses Bedürfnis an Empathie.