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Neue Studien zu Krebserkrankungen

Meilensteine beim Eierstockkrebs und Gebärmutterkörperkrebs: Was sind die wichtigsten Marker, um Innovation und personalisierte Medizin bei der Behandlung von Krebserkrankungen zusammenzubringen? Das verrät Prof. Dr. Jalid Sehouli.

Interview mit Prof. Dr. Jalid Sehouli

Prof. Sehouli, gibt es derzeit besonders viel Neues bei den Studien zu Krebserkrankungen der Frau? Oder worauf kommt es bei der Veranstaltung an?

Sehouli: Studien sind die Grundvoraussetzung, um Innovation und personalisierte Medizin zusammenzubringen. Studien gelten als grundsätzliches Qualitätsmerkmal einer modernen onkologischen Behandlung. Dennoch wissen immer noch nicht alle Patientinnen und Ärzte, welche Studien es überhaupt gibt - weil sie ihnen gar nicht angeboten würden. Daher ist es wichtig, die laufenden Studien bekannt zu machen und den Patientinnen zu sagen: Erkundigen Sie sich bei Ihrem Behandler, an welcher Studie Sie teilnehmen können. Wir wollen letztendlich, dass jeder Patientin eine Studie angeboten wird. Deswegen wollen wir auf diesem Infotag auf aktuelle Studien hinweisen und den Patientinnen und Ärzten zeigen, dass die Teilnahme an Studien einen Therapiefortschritt erzeugt hat. Ansonsten bekommen Ärzte und Patientinnen zu wenig davon mit, was im Rahmen der Studien alles erreicht wird. Wir liefern also auch ein Feedback zu den neuesten Studien. Deswegen haben wir auch das Studienportal gegründet, um alle Informationen zusammenzufassen.

Es laufen ja mehrere Studien zu Eierstock-, Eileiter- und Bauchfellkrebs. Welche möchten Sie hervorheben?

Sehouli: Hervorzuheben ist die Etablierung der PARP-Inhibition bei der Erstbehandlung von Eierstockkrebs. Wir greifen also in den Reparaturmechanismus der Krebszelle ein. Es war lange bekannt, dass diese Therapie beim Rezidiv wirksam ist. Jetzt zeigen Langzeitdaten, dass die Behandlung auch als Erhaltungstherapie Einfluss auf das Überleben und die Langzeit-Tumorkontrolle hat. Eine weitere relevante Studie widmet sich dem Gebärmutterkörperkrebs, der so genannten Aschenputtelkrankheit. Sie wird manchmal so bezeichnet, weil es hier viele Jahrzehnte lang keine wesentliche Verbesserung der Therapie gab. Doch jetzt haben auch hier die Checkpoint-Inhibitoren Einzug in die Rezidiv-Therapie gehalten. Und demnächst wird es Daten für die Erstlinien-Therapie beim Gebärmutterkörperkrebs mit Immuntherapien geben. Das sind echte Meilensteine.

Wie werden die Studien konzipiert? Wer ist federführend?

Sehouli: Die Studien werden von der Nord-Ostdeutschen Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie (NOGGO) und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) im europäischen Orchester der ENGOT global koordiniert und durchgeführt. Die Studien laufen in Europa und den USA und werden gemeinsam bearbeitet. Dieses strategische Vorgehen bringt mehr Tempo in die Abläufe und Ergebnisse. Daher können wir jedes Jahr neue Standardtherapien entwickeln.

Welche Studien sind aktuell noch hervorhebenswert?

Sehouli: In Kürze wird die N-plus-Studie starten. Konkret ist das eine randomisierte, offene Phase-III-Studie zur Niraparib-Erhaltung nach Carboplatin und Paclitaxel bei tumorfrei operierten HRD-Patientinnen mit fortgeschrittenem hochgradigem Eierstockkrebs in der Erstlinientherapie. Es ist die weltweit erste Studie beim Eierstockkrebs, die bei Tumorfreiheit, also nach der OP, die Chemotherapie von einem halben Jahr auf drei Monate reduziert. Das bedeutet eine enorme Deeskalation im Therapiealgorithmus. 

Da diesmal auch das Thema Sarkome vordergründig adressiert werden soll, weisen wir auch auf das weltweit größte Register für Frauen mit seltenen Sarkomen (Rexa) hin, wodurch wir viel für die Therapien lernen können. 

Warum ist es wichtig, dass möglichst viele Patientinnen in Studien eingeschlossen werden?

Sehouli: Jede Patientin ist einzigartig in ihrer Krankengeschichte. Und insofern müssen und können wir von jeder Patientin lernen. Daher haben wir aufwändige Phase-I-Studien mit neuartigen Substanzen, die zum Teil gar nicht auf dem Markt sind. Und es gibt Phase-III-Studien, in denen wir versuchen, die Standards weiterzuentwickeln. Darüber hinaus brauchen wir Studien zur Datenanalyse von Patientinnen, die nach den strengen Ein- und Ausschlusskriterien nicht in klassischen Studien repräsentiert sind. Das wird mit „Real world data“ bezeichnet. Diese Register-Studien sollen Frauen im Sinne der Lebensqualität monitoren, von der Diagnose bis zur Nachbehandlung - bis zu sieben Jahre lang. Das tut beispielsweise die Scout-Studie: Diese multizentrische offene nicht-interventionelle Beobachtungsstudie soll neue Erkenntnisse über die reale Behandlung von Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Ovarialkarzinom in Deutschland gewinnen, mit dem Schwerpunkt auf Wirksamkeit, Sicherheit und Bedürfnisse der Patientinnen von Behandlungsabläufen. Dabei werden vergleichend Patientinnen mit einer PARP-Erhaltungstherapie, Bevacizumab-Therapie und ohne jegliche Erhaltungstherapie untersucht. Das soll Schlüsse für die Verbesserung der Versorgung definieren.

Kurzbiographie Prof. Dr. Jalid Sehouli

Prof. Dr. Jalid Sehouli ist Direktor der Frauenklinik der Charité Berlin sowie Mitbegründer der Deutschen Stiftung Eierstockkrebs und des Forums Gynäkologische Onkologie.

Klinische Studien verbessern nachweislich die Prognose von Krebspatientinnen und sichern die Weiterentwicklung von Therapien. Der Studientag 2023 informiert über aktuelle Therapiemöglichkeiten und Studien bei gynäkologischen Krebserkrankungen.