Wenn Menschen beruflich absteigen, leidet häufig die Gesundheit, belegt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das lässt sich besonders bei ostdeutschen Männern beobachten.
Männer aus Ostdeutschland haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten häufiger die Erfahrung von beruflichem Abstieg oder Arbeitslosigkeit gemacht. Gleichzeitig geht es ihnen gesundheitlich schlechter als westdeutschen Männern. Wie beides zusammenhängt, zeigt eine neue Studie von Sebastian Günther, Dr. Anja Knöchelmann, Dr. Irene Moor und Prof. Dr. Matthias Richter vom Institut für Medizinische Soziologie der Universität Halle-Wittenberg.
Die Soziologen haben die Lebensläufe von knapp 20.000 erwerbstätigen Deutschen im Alter zwischen 25 und 59 analysiert. Dabei haben sie einerseits die intergenerationale Mobilität untersucht, also wie sich die berufliche Stellung gegenüber der Elterngeneration verändert hat, andererseits die intragenerationale Mobilität, die etwas über die Veränderungen innerhalb eines Berufslebens aussagt. Diese Ergebnisse kombinierten die Forscher mit Angaben dazu, wie die untersuchten Personen ihre Gesundheit einschätzen. Solche Angaben gelten in der Wissenschaft als "verlässliche Indikatoren für den objektiven Gesundheitszustand", betonen die Medizinsoziologen. Die Daten stammen aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) der Jahre 1992 bis 2012.
Der Zusammenhang zwischen sozialer Situation und Gesundheit zeigt sich deutlich: Über die beste Gesundheit berichten Personen, die aus einer Familie mit hohem Status stammen und diese Position über ihr Berufsleben halten konnten. Die höchsten Krankheitsrisiken tragen Menschen, die dauerhaft in einer niedrigen beruflichen Position feststecken. Auch soziale Mobilität wirkt sich signifikant auf die Gesundheit aus: Während ein Aufstieg mit einer besseren Einschätzung einhergeht, berichten Absteiger von einem schlechteren Gesundheitszustand. Je größer der Abstieg, desto eher wird die eigene Gesundheit als schlecht eingeschätzt. "Es ist anzunehmen, dass dies auf eine andauernde Benachteiligung und damit assoziierte Faktoren wie psychosoziale Belastungen zurückzuführen ist", schreiben die Wissenschaftler. Die beschriebenen Effekte haben sie sowohl für die inter- als auch für die intragenerationale Mobilität beobachtet, und zwar fast unabhängig von Geschlecht oder Herkunft.
Beim Vergleich der Mobilitätspfade zeigt sich: Ein Drittel blieb in einer unteren beruflichen Stellung, wenn die Eltern auch schon eine niedrige Stellung hatten. Etwa sieben bis zehn Prozent der Männer und Frauen waren in hohen Stellungen, die ihre Eltern ebenfalls innehatten. Annähernd 13 Prozent konnten aus einer niedrigen elterlichen Stellung in eine mittlere und etwa acht Prozent in eine hohe eigene berufliche Stellung aufsteigen. War eine hohe elterliche Stellung gegeben, stiegen etwa sechs bis acht Prozent in eine mittlere oder niedrige Stellung ab.
Auffällig sind die großen Unterschiede zwischen Ost und West – was daran liegt, dass die beruflichen Perspektiven und Karrierechancen in den alten und neuen Bundesländern sehr ungleich verteilt sind, heute sogar noch stärker als kurz nach der Wende und für Männer stärker als für Frauen. Zwar hat sich die Situation seitdem insgesamt verbessert, im Osten aber deutlich weniger als im Westen. Aktuell bleiben etwa 32 Prozent der ostdeutschen Männer, deren Eltern einen niedrigen beruflichen Status hatten, in einer niedrigen Position. Bei den westdeutschen Männern sind es nur noch 24 Prozent. Auch andere Mobilitätsmuster belegen: Männern aus ostdeutschen Bundesländern gelingt seltener ein beruflicher Aufstieg, sie sind im Gegenteil häufiger von Abstiegen in Arbeitslosigkeit betroffen. Männer westdeutscher Herkunft schaffen häufiger einen sozialen Aufstieg.
Dementsprechend unterschiedlich schätzen die Männer in Ost und West auch ihre Gesundheit ein. Bei Frauen aus den alten und neuen Bundesländern fallen die Unterschiede weniger ins Gewicht – allerdings haben Frauen insgesamt schlechtere Aufstiegschancen als Männer. Über den gesamten Zeitverlauf hinweg zeigt sich außerdem, dass es sowohl im Osten als auch im Westen schwerer geworden ist, einen hohen Status vom Anfang bis zum Ende des Berufslebens zu halten.
Trotz der kontinuierlichen Annäherung seit der Vereinigung seien die Folgen des massiven wirtschaftlichen Umbruchs in Ostdeutschland weiterhin spürbar, schreiben die Forscher. Die Arbeitslosigkeit und das Armutsrisiko seien im Osten immer noch höher. Dass darunter stärker die Männer leiden, liege an der Rolle des Hauptverdieners, in der sie sich nach wie vor sehen. Der Verlust des Arbeitsplatzes wirke sich bei ihnen nicht nur auf das Haushaltseinkommen, sondern auch auf Identität und Status aus.