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Starke Emotionen werden oft missverstanden

Je intensiver über Laute ausgedrückte Gefühle werden, desto leichter werden sie missverstanden. Das zumindest legen Forschungen des Frankfurter Max-Planck-Instituts (MPI) für empirische Ästhetik nahe.

Paradoxon: Kein Unterschied zwischen Freud und Leid

Je intensiver über Laute ausgedrückte Gefühle werden, desto leichter werden sie missverstanden. Das zumindest legen Forschungen des Frankfurter Max-Planck-Instituts (MPI) für empirische Ästhetik nahe.

"Der Zusammenhang ist paradox", sagt Natalie Holz. Die Neurowissenschaftlerin promoviert über dieses Thema und ist Erstautorin zweier Fachartikel. Intuitiv würden die meisten Menschen wohl das Gegenteil vermuten: Je stärker die Emotion und ihr emotionaler Ausdruck, desto besser werden sie verstanden.

Für ihre Analyse ließ Holz mehr als 1.000 Audioschnipsel nonverbaler Laute wie Schreien, Lachen, Seufzen, Ächzen und Stöhnen aufzeichnen. 480 davon wurden 90 Studienteilnehmern vorgespielt. Nach jedem Schnipsel mussten diese Fragen beantworten: Welche Emotion wird hier ausgedrückt? Wie intensiv ist dieses Gefühl? Ist es positiv oder negativ? Anschließend untersuchten die Wissenschaftler:innen, wie sich die Wahrnehmung der Laute abhängig von der emotionalen Intensität bei den Zuhörern veränderte.

"Das Ergebnis hat uns selbst überrascht", so Holz: Wie erwartet verbesserte sich die Wahrnehmung von Emotionen mit steigender Emotionsintensität zunächst. Aber je stärker die Intensität ab einer bestimmten Schwelle wurde, desto weniger korrekt wurde sie eingeschätzt. Bei extrem starken Emotionen sank die Trefferquote sogar drastisch. Bei extrem intensiven Gefühlen konnten die Zuhörenden einzelne Emotionen - beispielsweise Überraschung oder Triumph - nicht mehr sicher unterscheiden. Sie konnten auch nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob das Gefühl eher positiv oder negativ ist. Schmerzensschreie und Freudenschreie klangen für sie ähnlich.

Veröffentlichungen in mehreren Fachzeitschriften

"Entgegen weitläufiger Annahmen haben wir herausgefunden, dass die intensivsten Gefühle eben nicht am besten interpretiert werden können. Im Gegenteil, sie sind sogar am missverständlichsten von allen", bilanziert die Neurowissenschaftlerin. Trotzdem seien die Signale nicht bedeutungslos: Sowohl die Intensität als auch der Erregungszustand würden deutlich wahrgenommen. "In Extremsituationen mag es wichtiger sein, die Relevanz zu erkennen und alarmiert zu sein, als die nuancierte emotionale Bedeutung auszumachen."

Erste Ergebnisse der Studie wurden bereits im Mai in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht. An ihr waren auch die New York University und das Max Planck NYU Center for Language, Music, and Emotion beteiligt. Eine zweite Publikation über die den Experimenten zugrundeliegende Audio-Datenbank soll Ende des Jahres in der Fachzeitschrift "Emotion" erscheinen.

Auch an der Frankfurter Goethe-Universität haben sich Wissenschaftler:inn mit Gefühlen beschäftigt. Claudius Gros vom Institut für Theoretische Physik ging der Frage nach, warum uns die Evolution überhaupt mit Emotionen ausgestattet hat. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "Frontiers In Computational Neuroscience" publizert. Um Entscheidungen zu treffen, so Gros, brauchen Lebewesen mit komplexen Handlungsoptionen einen Mechanismus, der die kognitiven Anforderungen deutlich reduziert: «Das ist es, was Emotionen ermöglichen.» Sie helfen demnach dabei, unterschiedliche Tätigkeiten vergleichend zu bewerten, damit Ziele und Aufgaben effizient ausgewählt werden können.