Eigentlich wollte Ingeborg Fritze mit 95 Jahren aufhören mit dem Leistungssport. “Aber jetzt ist es ja bald so weit – und ich will nicht!”, sagt die 94-Jährige und lacht. Zahlreiche Deutsche Meisterschaften und Europatitel hat die Düsseldorferin im Schwimmen gewonnen und Weltrekorde aufgestellt – mehr als 600 Medaillen liegen in ihrem Keller. Dabei hat sie erst mit 70 so richtig mit dem Wettkampf-Schwimmen angefangen. “Ich bin einfach mit dem Wasser verbunden”, sagt sie heute.
Dass Sport im Alter gesund und fit hält, ist das eine. Doch längst haben Senioren auch den Leistungssport für sich entdeckt. Rund 8000 Athleten haben 2015 an der Senioren-Leichtathletik-WM in Lyon teilgenommen: “Das Interesse steigt genauso stark wie die Leistungen der Senioren”, sagt Margit Jungmann von den World Masters Athletics. Im Vergleich zu den Weltmeisterschaften 2013 in Brasilien habe sich die Teilnehmerzahl in Lyon nahezu verdoppelt. Dies habe jedoch auch mit der günstigen Lage in Europa zu tun, sagt Jungmann.
Gerhard Windolf hat an der Senioren-WM teilgenommen. Er ist 91, lebt in Hamburg und macht bereits seit 82 Jahren Sport. Zweimal in der Woche geht Windolf ins Fitnessstudio, dreimal auf den Sportplatz. Ein Leben mit Leistungssport mache den Kopf frei und sorge für den perfekten Ausgleich. “Ich war vor zehn Jahren das erste Mal beim Arzt.”
Seine Spitzenleistung hat er erst vor rund 20 Jahren erreicht. “Damals habe ich im Zehnkampf die Weltmeisterschaften in Amerika gewonnen”, sagt Windolf stolz. Amerika, Australien, Europa – Windolf ist durch den Sport weit rumgekommen. Schätzungsweise habe er bei rund fünfzig internationalen Wettkämpfen gewonnen. Seine Medaillen habe er nie gezählt. “Es geht mir vor allem um den Spaß und den Nervenkitzel”, sagt er. Das ändere sich nie. Inzwischen könne er zwar nur kurzfristig planen. Aber wenn bis nächstes Jahr alles so bleibe, wie es ist, dann sei er auf jeden Fall wieder bei zahlreichen Wettkämpfen mit dabei.
Rentner müssten definitiv nicht still im Sessel sitzen, findet auch Christine Sowinski vom Kuratorium Deutscher Altershilfe. Eine Altersbegrenzung für Sport gebe es nicht: “Sportarten, die man in jungen Jahren betrieben hat, graben sich tief ins muskuläre Gedächtnis ein und lassen sich auch im Alter wieder abrufen.”
Höchstleistungen seien auch im fortgeschrittenen Alter noch möglich, sagt Dieter Leyk, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln. Über acht Jahre hinweg haben er und seine Forschungsgruppe zur Leistungsepidemiologie Senioren beim Sport beobachtet. Mit gezieltem Training hätten diese das Leistungsniveau eines untrainierten 20- bis 30-Jährigen erreichen können, sagt der Sportwissenschaftler. Bei den rund 900 000 Laufzeiten der Marathonläufer war ein Viertel der 65- bis 69-Jährigen schneller als die Hälfte der 20- bis 54-Jährigen. Dabei hatten viele ältere Läufer erst wenige Jahre vorher mit dem Lauftraining begonnen.
Leistungseinbußen in mittleren und höheren Lebensalter seien vor allem auf eine inaktive Lebensweise zurückzuführen, sagt Leyk. Mit dem richtigen Training könnten Altersunterschiede nahezu unsichtbar werden.
Deshalb springt auch Ingeborg Fritze weiterhin regelmäßig ins Schwimmbecken und trainiert. Im Düsseldorfer Schwimmclub 1898 ist sie auch für die jungen Mitglieder ein Vorbild. Denn mit 94 schwimmt sie an ihren besten Tagen rund 1000 Meter und staubt in ihrer Altersklasse einen Rekord nach dem anderen ab.
Doch ein Allheilmittel ist auch Leistungssport nicht. Manchmal merke sie das Alter eben doch, erzählt sie. “Vor kurzem bin ich noch gelaufen wie ein Wiesel.” Dann kam ein Sturz und sie musste erst einmal kürzertreten. Inzwischen gehe es wieder besser. “Und im Wasser werden Körper und Sorgen direkt viel leichter.”
Text: dpa /fw
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