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Spahn will grundlegende Neuregelung der Organspende

Die Organspendezahlen in Deutschland sinken seit längerem - allem Werben zum Trotz. Doch was tun für eine größere Spendebereitschaft? Der Gesundheitsminister wirbt für einen prinzipiellen Systemwechsel.

Debatte um Widerspruchslösung nimmt Fahrt auf

Die Organspendezahlen in Deutschland sinken seit längerem - allem Werben zum Trotz. Doch was tun für eine größere Spendebereitschaft? Der Gesundheitsminister wirbt für einen prinzipiellen Systemwechsel.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn macht sich für grundlegend neue Regeln stark, damit mehr Menschen in Deutschland lebensrettende Organe spenden. Demnach soll automatisch jeder als Spender gelten - solange man oder ein Angehöriger nicht ausdrücklich widerspricht. "Nur so kann die Organspende zum Normalfall werden", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung (Montag). "Diese Diskussion sollten wir im Bundestag jetzt führen." Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortete eine solche Debatte, ohne aber schon Position zu beziehen. Bisher gilt hierzulande das umgekehrte Prinzip, wonach Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt sind.

Seit Jahren sei leider ohne Erfolg vieles versucht worden, um die Zahl der Organspender zu erhöhen, sagte Spahn. "Deshalb brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte über eine Widerspruchslösung". Da der Staat damit in die Freiheit des Einzelnen eingreife, sei die politische Entscheidung eine Gewissensfrage. Eine solche Debatte über Parteigrenzen hinweg im Bundestag wolle er gern organisieren. Zu regeln sei etwa auch, wo man seinen Widerspruch hinterlegen könnte.

Spenderzahlen im vergangenen Jahr auf Tiefpunkt gesunken

In Deutschland warten laut Ministerium mehr als 10.000 Menschen auf Spenderorgane. Schon seit 2012 gehen die Spendezahlen aber mehr und mehr herunter. Die Zahl der Spender erreichte laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt von 797. Im ersten Halbjahr 2018 gab es zwar eine Zunahme, was aber eher eine Momentaufnahme darstelle, wie die Stiftung erklärte. Vor diesem Hintergrund ist schon eine Debatte über neue Regeln in Gang gekommen.

Auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) befürwortete eine offene Diskussion im Bundestag über mögliche neue Regeln. Barley begrüße jeden Ansatz, das Thema Organspenden weiter zu enttabuisieren, sagte eine Sprecherin. Es gebe aber noch andere Probleme als allein die Spendenbereitschaft, so dass man keine falschen Erwartungen wecken dürfe.

Spahn hat gerade auch ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Hindernisse für Organspenden in Kliniken aus dem Weg räumen soll. Vorgesehen ist unter anderem, Transplantationsexperten in Krankenhäusern mehr Zeit zu verschaffen und Vergütungen zu verbessern.

Ablehnung auf Seiten Patientenschutz, FDP und Zentralkomitee der Katholiken

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte davor, die Axt an den Grundrechten anzusetzen. "Schweigen ist nicht Zustimmung", sagte Vorstand Eugen Brysch. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag): "Ich habe Zweifel, ob eine Lösung, bei der ein ausdrücklicher Widerspruch des Betroffenen oder seiner Angehörigen erforderlich wäre, um die Organentnahme zu verhindern, ethisch zu vertreten ist." FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einer "Deformation der Selbstbestimmung". In Existenzfragen sei ausdrückliche Zustimmung ohne sonst möglichen Anpassungsdruck besser.

Unterstützung kam dagegen unter anderem von SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. "Ich bin ein klarer Befürworter der Widerspruchslösung", sagte er der "Rheinischen Post" (Dienstag). Fast jeder sei ein potenzieller Empfänger von Organen, da sei es richtig, dass auch jeder ein möglicher Spender sei - es sei denn, er widerspreche. Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock befürwortete eine Neuregelung. Aus ihrer persönlichen Sicht sei es sehr sinnvoll, "es weiter in die Wege zu leiten, dass es eine Opt-Out-Regel bei der Organspendefrage gibt." Das Thema werde sicherlich im Bundestag intensiv diskutiert.