Der Zusammenhang zwischen sozialen Beziehungen und körperlichem Wohlergehen wird schon seit einigen Jahren vermutet: 2010 haben Anthropologen um Joan B. Silk von der “University of California” in Los Angeles das Verhalten freilebender Paviane untersucht. Die Gruppe fand heraus, dass enge Freundschaften sich positiv auf die Länge des Lebens auswirken. Zuvor hatten die Primatenforscher angenommen, dass vor allem die Stellung innerhalb der Gruppe wichtig für die Gesundheit der Paviane sei. Eine hohe Stellung bedeutet immerhin auch einen bevorzugten Zugang zu Nahrung, doch anscheinend ist dieser Vorteil nicht so beutend, dass die sozialen Bindungen ihn nicht aufwiegen könnten. Die Wissenschaftler nahmen an, dass Tiere mit engen Freundschaften und Partnerschaften weniger unter Stress leiden als isolierte Tiere.
Die Primatenforscher gingen davon aus, dass sich ihre Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. Eine große Metaanalyse aus dem gleichen Jahr gibt ihnen Recht: Holt-Lunstadt und Kollegen verglichen die Daten von 140 Studien mit mehr als 300 000 Probanden. Soziale Bindungen scheinen auch bei Menschen gut für ein langes Leben zu sein. Die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht sich gegenüber sozial inaktiven Menschen um 50 Prozent, sofern man über einen festen Freundeskreis verfügt. Einsamkeit ist damit ähnlich schädlich wie regelmäßiger Alkoholkonsum und kann sogar noch schädlicher sein, als Bewegungsmangel oder Fettleibigkeit.
Die aktuell erschienene Studie von Yang und Kollegen baut auf den alten Erkenntnissen auf: die Forscher von der University of North Carolina bestätigen, dass soziale Bindungen gesundheitlich wichtig sind. Die Gruppe wollte darüber hinaus feststellen, wie genau die sozialen Beziehungen auf die Gesundheit Einfluss nehmen und in welcher Lebensphase enge Verbundenheit zu den Mitmenschen am wichtigsten ist. Yang et al. nutzten für ihre Untersuchungen vier repräsentative amerikanischen Stichproben. Es wurden verschiedene Dimensionen sozialer Beziehungen, wie Integration, Unterstützung und Stabilität mit Markern für körperliche Gesundheit, wie Blutdruck, Entzündungsmarker (CRP), Hüftumfang und Body Mass Index (BMI) zusammengebracht. Die Ergebnisse wurden getrennt für jede Lebensspanne betrachtet. Interessanterweise war insbesondere im jüngeren und höheren Lebensalter ein hoher Grad der sozialen Integration assoziiert mit einem niedrigeren Risiko für physische Dysfunktion. Soziale Isolation erhöhte nicht nur das Risiko für Entzündungen in jungen Jahren, sondern begünstigte auch Bluthochdruck. Der Faktor “soziale Isolation” wirkte sich im späteren Lebensalter sogar negativer auf den Blutdruck aus als Diabetes oder das Lebensalter an sich. Während die sozialen Bindungen im frühen und späten Leben scheinbar sehr wichtig für die Gesundheit sind, spielen sie für das mittlere Lebensalter eine geringere Rolle: anscheinend kommt es in der Lebensmitte nicht so sehr auf ein großes soziales Netz an, das die Gesundheit festigt, vielmehr ist die Qualität der Beziehungen wichtig für das persönliche Wohlempfinden.
“Das Verhältnis zwischen körperlicher Gesundheit und dem Grad der sozialen Integration ist am besonders ausgeprägt zu Beginn oder Ende des Lebens und nicht ganz so wichtig dazwischen. In der mittleren Lebensspanne zählt eher die Qualität als die Quantität”, so fasst es Koautorin Harris zusammen.
Noch keine Aussage über Ursache und Wirkung möglich
Obwohl die Studie dazu beiträgt den Zusammenhang zwischen sozialen Bindungen und Gesundheit, der seit ungefähr 20 Jahren untersucht wird, genauer darzustellen, kann keine Aussage über Ursache und Wirkung getroffen werden. Eventuell sind gesündere Menschen einfach eher bereit Kontakte zu knüpfen und sich in der Gesellschaft zu bewegen. Andersherum könnte Krankheit als gesellschaftliches Stigma zur Isolation führen. Vielleicht ist der Schlüssel zu einem gesunden Leben aber auch tatsächlich in unserem gesellschaftlichen Miteinander zu finden.
So oder so sollte man als Arzt nicht nur über wichtige Risikofaktoren wie Nikotinkonsum oder Fettleibigkeit aufklären, sondern auch einen genauen Blick auf die Lebensumstände des Patienten werfen.
Text: esanum /kme
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