Viele Männer mit Bluthochdruck leiden unter einer erektilen Dysfunktion. Sie wird anders als häufig angenommen, im Allgemeinen nicht durch die Medikamente ausgelöst. Die Potenzstörungen sind nach Einschätzung der Deutschen Hochdruckliga eher Folge weiterer Gesundheitsstörungen, zu denen bei vielen betroffenen Männern nicht nur der Bluthochdruck gehört. Eine aktuelle Studie bestätigt diese Vermutung.
Viele Patienten machen die Hochdruckmedikamente für ihre nachlassende Erektionsfähigkeit verantwortlich. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit Berichte, nach denen einige Wirkstoffe die Potenz vermindern. "Im Verdacht standen vor allem Betablocker und Diuretika, aber auch für Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer und AT1-Blocker gab es Hinweise", berichtet DHL Vorstandsvorsitzender Professor Dr. med. Bernhard Krämer von der Universitätsmedizin Mannheim. Auch die DHL hatte auf ihren Internetseiten auf die Problematik hingewiesen.
Inzwischen gibt es jedoch neue Erkenntnisse, die ein erfreulicheres Bild zeichnen. "Wir sind heute zuversichtlich, dass zumindest die Mehrzahl der Hochdruckmedikamente die männliche Potenz nicht gefährden", so Professor Krämer. Zu der gleichen Einschätzung gelangt eine aktuelle Analyse der HOPE-3-Studie. Die Studie hatte die Wirksamkeit von zwei Blutdruckmedikamenten (dem AT1-Blocker Candesartan und dem Diuretikum Hydrochlorothiazid) und einem Cholesterinsenker (Rosuvastatin) bei mehr als 12.000 Menschen untersucht. Diese hatten neben einem erhöhten Blutdruck noch weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das konnten neben einem erhöhten Cholesterin ein gestörter Blutzuckerstoffwechsel, Übergewicht und/oder Rauchen sein.
"Die Studie spiegelt gut wieder, was Ärzte alltäglich in der Praxis sehen", sagt Professor Krämer, "Bei den meisten der Patienten ist nicht nur der Blutdruck zu hoch, sondern auch Blutfette, Blutzucker und Körpergewicht." Eine weitere Komponente dieses sogenannten metabolischen Syndroms kann bei Männern eine erektile Dysfunktion sein.
2153 männliche Teilnehmer der HOPE-3-Studie, die zu Beginn der Studie durchschnittlich 61,5 Jahre alt waren und wovon 58 Prozent eine erektile Dysfunktion aufwiesen, wurden untersucht. Die Analyse, die kürzlich im Canadian Journal of Cardiology (2018; 34: 38-44) veröffentlicht wurde, hatte untersucht, wie sich die Medikamente auf die Potenz auswirken.
Weder unter der Behandlung mit den Hochdruckmedikamenten noch mit dem Cholesterinsenker kam es häufiger zum Auftreten einer neuen erektilen Dysfunktion als in den Vergleichsgruppen, in denen die Patienten nur Placebos erhalten hatten. "Aufgrund der Größe der Studie und der Behandlungsdauer von 5,6 Jahren, bestätigen die Ergebnisse unsere Erfahrung, dass eine Blutdrucksenkung durch Hochdruckmedikamente im Allgemeinen keine Potenzstörungen auslöst", sagt Professor Trenkwalder, Stellvertretender DHL Vorstandsvorsitzender. Dies trifft insbesondere für die hier untersuchte Kombination AT1-Blocker/Thiaziddiuretikum zu, aber aufgrund früherer Untersuchungen wohl auch für ACE-Hemmer, andere AT1-Blocker und Kalziumantagonisten. Ohne negative Effekte scheinen auch selektive Betablocker und der gefäßerweiternde Betablocker Nebivolol zu sein.
Allerdings haben die Medikamente das Neuauftreten einer erektilen Dysfunktion auch nicht verhindert. "Wir hatten natürlich gehofft, dass eine Normalisierung von Blutdruck und Cholesterin die Patienten genauso vor einer erektilen Dysfunktion bewahrt, wie sie vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützt", erklärt der Experte vom Klinikum Starnberg.
"Das ist natürlich ein enttäuschendes Ergebnis der Studie", fährt Professor Trenkwalder fort. Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Patienten mit erektiler Dysfunktion nicht geholfen werden könnte. Viele Patienten erreichten mit Sildenafil (bekanntestes Präparat Viagra) und anderen Medikamenten ein befriedigendes Sexualleben.
Quellen:
Joseph P. et al. Long-term Effects of Statins, Blood Pressure-Lowering, and Both on Erectile Function in Persons at Intermediate Risk for Cardiovascular Disease: A Substudy of the Heart Outcomes Prevention Evaluation-3 (HOPE-3) Randomized Controlled Trial. Canadian Journal of Cardiology 2018; 34(1): 38-44