Zu wenig Natrium geht mit einem schlechteren Überleben einher. Die Hyponatriämie kommt bei allen internistischen Patienten häufig vor, besonders auch bei den pneumologischen, wie beim DGP-Kongress zu erfahren war.
Elektrolytstörungen sind bei COPD-Patienten im klinischen Alltag durchaus häufig anzutreffen, werden aber in der Priorisierung eher untergeordnet berücksichtigt – "zu Unrecht", findet der Nephrologe Prof. Mark Dominik Alscher (Stuttgart). Denn die Störungen sind angesichts der damit assoziierten Mortalität und Morbidität alles andere als vernachlässigbar.
"Man kann durch pathophysiologisches Verständnis für seine Patienten einiges an therapeutischen Möglichkeiten entwickeln und die Prognose verbessern", betonte der Nierenspezialist beim diesjährigen DGP-Kongress in Dresden. Umgekehrt gilt das leider auch. Das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) ist für den Pneumologen besonders relevant: "Da kann man in der Therapie immens viel falsch machen", so Alscher.
Die Hyponatriämie ist ein häufiges Krankheitsbild. Bei Patienten mit Leberzirrhose reicht die ermittelte Prävalenz bis an die 50 % heran, ähnlich sieht es bei Tumorpatienten aus. Im Fall der Pneumonie ist bis zu ein Viertel der Patienten von der Elektrolytstörung betroffen.
Bei einer Hyponatriämie ist entweder zu viel Wasser oder zu wenig Natrium vorhanden. Die durch Sekretion und Resorption bewerkstelligten intestinalen Wasserverschiebungen erreichen ein tägliches Volumen von rund 10 Litern. Bei Störungen der physiologischen Vorgänge kann es hier leicht zu Wasser- oder Natriumverlusten kommen.
Eine wichtige Rolle für die Volumen- und Blutdruckregulation spielt das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS). Als "hypovolämische Hormone" sind Renin, Noradrenalin und das antidiuretische Hormon (ADH, Vasopressin) bekannt. ADH wird bei vielen pathologischen Zuständen, wie etwa dem SIADH, zusätzlich sezerniert, hält über Aquaporine freies Wasser zurück und verdünnt die Natrium-Konzenration.
Ursachen für Hyponatriämie bei COPD-Patienten sind:
Die klinische Relevanz dieser Komorbidität wurde in verschiedenen Studien untersucht, von denen Alscher einige vorstellte.
In einer spanischen prospektiven Beobachtungsstudie1 wurden 424 COPD-Patienten mit Exazerbationen und Hyponatriämie (Na+ < 135 mmol/l) bis 90 Tage nach der stationären Entlassung nachverfolgt. Bei fast jedem sechsten Patienten (16 %) fand sich eine Hyponatriämie. Die niedrigen Natriumwerte korrelierten mit einer erhöhten Pneumonie-Rate (27 vs. 14 %) und einer deutlich gesteigerten Mortalität (im Krankenhaus: 7,5 vs. 2,5 %; nach 90 Tagen: 21 vs. 11 %).
In einer großen dänischen Kohortenstudie2 mit knapp 280.000 akut hospitalisierten Patienten betrug der Anteil an chronisch Lungenkranken 10 %. Bei niedrigen Natriumwerten fiel dieser Anteil noch etwas höher aus. Die 1-Jahres-Sterblichkeit war in der Gruppe der Patienten mit Hyponatriämie insgesamt um das Doppelte und nach Adjustierung noch 1,3fach erhöht.
Eine andere aktuelle Arbeit3 beleuchtete die prognostische Relevanz der Hyponatriämie. Dabei wurden Patienten mit akuten COPD-Exazerbationen mit Herzinsuffizienz-Patienten verglichen. Für Letztere erwiesen sich die Natriumwerte als prognostisch sehr relevant: Bei niedrigem Natrium war die Mortalität in der Gesamtkohorte und insbesondere bei Herzinsuffizienz deutlich erhöht. Bei der COPD war das nach Ausschluss aller Komorbiditäten allerdings nicht der Fall. "Das ist etwas verwirrend und lässt den Schluss zu, dass die Herzinsuffizienz von hoher Relevanz ist", befand Alscher. Etwa jeder dritte COPD-Patient leidet gleichzeitig an einer Herzschwäche.
Eine ganze Reihe von Medikamenten ist in der Lage, eine Hyponatriämie zu verursachen. Sie wirken als Analoga von ADH, verstärken seine Wirkung an der Niere oder steigern seine Sekretion. Einige Substanzen, zu denen diverse Neuroleptika und Antidepressiva zählen, reduzieren das Natrium über unbekannte Mechanismen. Von besonderer Relevanz im klinischen Alltag sind laut Alscher neben den "Klassikern" wie etwa Diuretika vor allem die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), Chemotherapeutika und die "sehr häufig" eingesetzten trizyklischen Antidepressiva.
Eigentlich wird das antidiuretische Hormon über Osmorezeptoren sezerniert, aber es gibt auch eine nichtosmotische ADH-Sekretion bei einem Volumenmangel. Bei schwerer Herzinsuffizienz und bei Leberzirrhose wird aufgrund eines erniedrigten effektiven Blutvolumens (underfilling) im arteriellen Gefäßsystem ein Volumenmangel detektiert. Die Stimulation der Barorezeptoren führt zur vermehrten ADH-Ausschüttung, die in eine Hyponatriämie mündet.
Zu den Ursachen des SIADH zählen Malignome, ZNS-Erkrankungen, Medikamente, andere Ursachen – und Lungenkrankheiten, vor allem infektiöse Pneumonien, Asthma und zystische Fibrose. "Das ist etwas Häufiges. Das müssen Sie kennen", betonte der Nephrologe. Die Gefahr besteht im (falschen) Reflex, in dieser Situation wegen der niedrigen Natrium-Werte mit isotonischer Kochsalzlösung substituieren zu wollen. "Dann werden Sie bei diesen Patienten scheitern. Deshalb muss man die Pathophysiologie verstehen".
Beim therapeutischen Vorgehen muss zwischen hypo-, hyper- und isovolämischer Hyponatriämie unterscheiden werden. Liegt ein echtes Natrium-Defizit vor, wird mit isotonischer Kochsalzlösung substituiert. Bei SIADH-Patienten bedarf es dagegen der Wasserrestriktion und im akuten Fall einer hyperosmolaren statt isotonischen Kochsalzlösung, "sonst wird bei zu viel ADH der Zustand verschlechtert".
Dabei kann es sich um große Mengen drehen. Alscher rechnete folgendes Beispiel zur Natriumsubstitution bei SIADH vor: Ein 90 kg schwerer Mann mit 125 mmol/l Na+ im Serum benötigt 3,2 l hyperosmolare NaCl-Infusion 1,5 % (die aus einer isotonischen NaCl-Infusion 0,9 % mit 6 Ampullen 10 % NaCl á 10 ml hergestellt werden kann).
Der Ausgleich des Natriummangels bis zum Zielwert von 140 mmol/l muss vorsichtig erfolgen. Unter der Substitution werden die Natriumwerte zunächst zweistündlich bestimmt, der Anstieg darf maximal 0,5 mmol pro Stunde bzw. 12 mmol in 24 Stunden betragen. Ansonsten könnte, wie Alscher darlegte, eine Demyelinisierung im hyponatriämisch veränderten Gehirn und bleibende neurologische Schäden die Folge sein.
Auf die Frage, weshalb noch bis vor 5 Jahren die Hyponatriämie auf den pneumologischen Stationen kaum wahrgenommen wurde, heute aber verstärkt ein Problem darstellt, antwortete Alscher: "Das liegt vermutlich an der zunehmenden Multimorbidität, aber auch am allgemeinen Trend in der Medizin, viel mit Wasser zu arbeiten. Wir sehen das bei unserem Anästhesisten, es wird sehr großzügig Wasser substituiert."
Quelle:
Pneumologie im Prisma der … Nephrologie. Präsidentensymposium beim 59. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Dresden, 16. März 2018
Referenzen:
1. Chalela R et al. Impact of hyponatremia on mortality and morbidity in patients with COPD exacerbations. Respir Med 2016;117:237-42
2. Holland-Bill L et al. Hyponatremia and mortality risk: a Danish cohort study of 279 508 acutely hospitalized patients. Eur J Endocrinol 2015;173(1):71-81
3. Winther JA et al. Prevalence and Prognostic Significance of Hyponatremia in Patients with Acute Exacerbation of Chronic Obstructive Pulmonary Disease: Data from the Akershus Cardiac Examination (ACE) 2 Study. PLoS One 2016;11(8):e0161232