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Seltene Erkrankungen: Richtlinien brauchen besondere Kriterien für Plasmagewinnung

Die Plasmaspende ist noch immer nicht hinreichend bekannt, obwohl mittlerweile mehr Plasma- als Vollblutspenden benötigt werden. Unter dem Titel "Plasma - zu wenig für alle" gab Dr. Kirsten Seidel beim "Forum Seltene Erkrankungen - Sonderfall Biotherapeutika?!" am 06. November in Berlin eine Einführung in die Welt der Plasmagewinnung.

Der Plasmabedarf steigt, während die Verfügbarkeit sinkt

Anders als die Blutspende, ist die Plasmaspende noch immer nicht hinreichend bekannt, obwohl mittlerweile mehr Plasma- als Vollblutspenden benötigt werden. Unter dem Titel "Plasma - zu wenig für alle" gab Dr. Kirsten Seidel, Medical Director der CSL Plasma GmbH und Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Plasmapherese e.V. beim "Forum Seltene Erkrankungen - Sonderfall Biotherapeutika?!" am 06. November in Berlin eine Einführung in die Welt der Plasmagewinnung.

Blutplasma ist die Flüssigkeit des Blutes, die übrig bleibt, wenn man die Blutzellen entfernt. Es besteht zu 90% aus Wasser und zu 10% aus Salzen, Mineralien und Hormonen. Insgesamt gibt es über 2.500 verschiedene Eiweiße im Blutplasma, die jeweils eigene Funktionen haben. Das Nichtvorhandensein bestimmter Eiweiße führt oft zu schwersten Erkrankungen bis hin zum Tod. Die Eiweiße haben den Vorteil, dass die meisten von Ihnen durch Einfrieren bis zu 36 Monate lang haltbar gemacht werden können, was sich die Plasmaindustrie zunutze macht, indem daraus Biotherapeutika plasmatischen Ursprungs hergestellt werden.

Wieviel Plasma benötigen Menschen mit seltenen Erkrankungen im Laufe ihres Lebens?

Lediglich für Faktor VIII und Faktor VIIII bestehen bereits Möglichkeiten der gentechnischen Herstellung. Die anderen, hier aufgeführten Plasmaproteine können bislang tatsächlich nur aus menschlichem Blutplasma hergestellt werden.

Entwicklung des Plasmabedarfs in Deutschland

Die Entwicklung des Plasmabedarfs in Deutschland ist beunruhigend. Im Jahr 2017 standen 2,9 Millionen Liter Blutplasma zur Verfügung, 67% davon sind Source Plasma, d.h. aus Plasmapherese gewonnenenes Plasma. Bis 2012 gab es ein Plateau von ca. 1,9 bis 2 Millionen Liter Blutplasma. Seit 2013 sinken jedoch die Vollblutspenden, da immer weniger Vollblut benötigt wird. Der Immunglobulinbedarf ist seit 2010 um 246% gestiegen. Die Indikationen dafür sind Abwehrschwächen des Körpers und seltene Erkrankungen, wobei fast täglich neue Indikationen hinzukommen. Obwohl der Selbstversorgungsgrad 2017 noch bei 114% lag, wird die Selbstversorgung gefährdet, wenn der Immunglobulinverbrauch weiter ansteigt und die Erzeugung stagniert oder sogar sinkt.

Probleme in Deutschland und Europa

Die Selbstversorgung wird derzeit nur in Deutschland, Österreich und Tschechien erreicht. Eine Ausnahme hiervon stellt das Plasma zur Rhesusprophylaxe für Schwangere dar: In Deutschland wird für die Rhesusprophylaxe kein Plasma hergestellt, es wird zu 100% aus den USA importiert, was sowohl politische als auch ethische Fragen aufwirft. Alle anderen europäischen Länder sind bei der Plasmagewinnung größtenteils von den USA abhängig, wo 80% des weltweiten Plasmabedarfs gewonnen werden.

Das Problem ist, dass sowohl die deutschen als auch die europäischen Richtlinien nach wie vor auf die Gewinnung von Vollblut ausgerichtet sind und Blutplasma noch immer als Nebenprodukt verstanden wird, obwohl der Bedarf an Vollblutkonserven immer weiter sinkt. Dies liegt zum Beispiel an der Zunahme minimalinvasiver Operationstechniken, für welche deutlich weniger Bluttransfusionen benötigt werden. Die für die Plasmagewinnung notwendigen, besonderen Kriterien, werden in den Richtlinien jedoch bislang nicht berücksichtigt. Abhilfe könnte eine eigene Plasmarichtlinie schaffen, die zu weniger Ablehnungen von Spendern führen würde. Derzeit führt die Ablehnung von Spendern für die Vollblutspende, auch zur Ablehnung von potenziellen Plasmaspendern, da diese nach den Richtlinien der Blutspende beurteilt werden. Beispielsweise dürfen Personen, nachdem sie eine Tätowierung oder ein Piercing erhalten haben, monatelang kein Blut spenden – es wäre aber sehr wohl möglich, Plasma zu spenden, wenn es entsprechende Richtlinien für die Plasmaspende gäbe. Solange die Plasmaspende jedoch weiterhin nach den Richtlinien für Vollblutspenden gehandhabt wird, gehen den Plasmazentren jährlich tausende Spendewillige verloren. Hier wäre die Unterstützung von Aufklärungskampagnen für die Plasmaspende durch das Bundesministerium für Gesundheit dringend notwendig.

Ein weiteres Problem stellt die Personalsituation dar: Das Transfusionsgesetz (TFG) schreibt vor, dass zu allen Öffnungszeiten eines Plasmazentrums ein approbierter Mediziner oder eine approbierte Medizinerin anwesend sein muss. In den meisten anderen europäischen Ländern und auch in den USA ist dies nicht erforderlich. Auch in den Dialysezentren kann mit medizinischem Fachpersonal gearbeitet werden, ohne dass jederzeit ein Arzt oder eine Ärztin anwesend sein müssen. Durch die gesetzlichen Restriktionen und die nicht passgenauen Richtlinien, wird die Situation für die Plasmagewinnung immer prekärer.

Schlussfolgerungen

Quelle: Forum Seltene Erkrankungen. Sonderfall Biotherapeutika?!, Vortrag Dr. Kirsten Seidel, 06.11.2018 Berlin.