In Deutschland kommen immer mehr Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Dabei ist diese Art der Geburt in vielen Fällen medizinisch gar nicht unbedingt notwendig. Selbst wenn eine Schwangere Zwillinge erwartet oder das Ungeborene in der Beckenendlage liegt, heißt das nicht automatisch, dass sie nur durch einen Kaiserschnitt entbinden kann. Seit dem Frühjahr gibt es für diese Frauen in der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eine Spezialsprechstunde. Ein Team aus Ärztinnen, Ärzten und Hebammen berät und begleitet die Schwangeren während der letzten Schwangerschaftswochen, damit die werdenden Mütter dann besser entscheiden können, ob ein Kaiserschnitt oder eine natürliche Geburt das Richtige für sie ist.
Seit 1991 hat sich die Kaiserschnittrate in Deutschland fast verdoppelt. 2019 lag sie bei 29,6 Prozent. Der Anstieg hat unterschiedliche Gründe, ist aber im Gesamtergebnis nicht mit einer besseren Gesundheit von Mutter und Kind verbunden. In der MHH-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe unter der Leitung von Klinikdirektor Professor Dr. Peter Hillemanns werden den werdenden Eltern sogenannte Geburtsmodus-Gespräche angeboten. Die Hebammen und Gynäkolog:innen sind gut auf Zwillingsgeburten und Geburten mit Beckenendlage vorbereitet. Professor Dr. Constantin von Kaisenberg, Bereichsleiter Geburtshilfe und Pränatalmedizin, hat dort schon vor mehreren Jahren das spezielle PROMPT-Training etabliert, bei denen das Team in regelmäßigen Simulationstrainings auf genau diese Geburtssituationen geschult wird.
"Wir haben festgestellt, dass es besser ist, Schwangere, die Zwillinge erwarten oder deren Kind in der Beckenendlage liegt, über einen längeren Zeitraum bis zur Geburt zu begleiten", erklärt Privatdozent Dr. Rüdiger Klapdor, Oberarzt in der Frauenklinik. Denn häufig seien diese Frauen von vornherein fest davon überzeugt, dass es für sie keine Alternative zum Kaiserschnitt gebe. Doch ein Kaiserschnitt ist nicht automatisch die bessere Variante. "Es gibt Gründe dafür und dagegen, das kommt immer auf den einzelnen Fall an", sagt Dr. Klapdor.
"In der Spezialsprechstunde für Zwillingsgeburten und Beckenendlage sehen wir die schwangeren Frauen mehrmals und können mit ihnen die Entwicklung der Kinder oder des Kindes verfolgen", erläutert Hebamme Nina Meier. Hebammen, Ärztinnen und Ärzte nehmen sich Zeit für die werdenden Eltern, informieren sie sachlich und können ihnen vielleicht auch unbegründete Ängste nehmen. Die Fachleute haben reichlich Erfahrung und kennen die Studien und medizinischen Leitlinien. "Unser Ziel ist es, die Schwangeren so gut zu informieren, dass sie schließlich selbst die richtige Entscheidung treffen können", sagt Dr. Klapdor.
"Alle Verwandten und Freunde waren davon ausgegangen, dass ich per Kaiserschnitt entbinden würde, sogar ich selbst war anfangs davon überzeugt", berichtet Sina B. aus Hannover, die am 21. Juni in der MHH die Zwillingsschwestern Elisa und Clara auf die Welt brachte. Die kleinen Mädchen erblickten letztendlich doch das Licht der Welt auf natürlichem Wege. "Es hat alles geklappt, und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unwohl gefühlt", sagt die junge Mutter.