Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 18 Millionen stationär und ambulant durchgeführte Operationen. Studien zeigen, dass rund 99 Prozent der Patienten am ersten Tag nach einer Operation über Schmerzen klagen. Die moderne Schmerzmedizin ist längst zu dem Ergebnis gekommen, dass postoperative Schmerzen das gesamte Behandlungs- und Operationsergebnis negativ beeinflussen können. Schmerz nach einer OP stellt einen erheblichen Stressfaktor dar.
“Postoperatives Schmerzmanagement – Alles im Griff?!” (unterstützt von Grünenthal) lautete das Thema eines Satellitensymposiums auf dem Deutschen Anästhesiecongress 2016. Professor Winfried Meißner, Leiter der Sektion Schmerztherapie am Universitätsklinikum Jena, wies in dem Symposium nachdrücklich auf die negativen Konsequenzen von Schmerzen auf den Behandlungserfolg hin: “Postoperative Schmerzen können das Risiko für Komplikationen steigern, die Liegedauer eines Patienten im Krankenhaus erhöhen und zu chronischen Schmerzen führen.”
Akuter Schmerz kann endokrinologisch-metabolische Veränderungen mit sich bringen und hat vor allem negative Auswirkungen auf das das Herz-Kreislauf-System sowie die Atmung. Vor allem bei orthopädischen Eingriffen, bei denen eine rasche Mobilisierung meist zum Therapieerfolg beiträgt, können Schmerzen ein enormes Hindernis sein, dass es einem Patienten zügig besser geht.
Meißner betonte, dass es Deutschland in zahlreichen Krankenhäusern sehr wohl hervorragende Schmerztherapien und entsprechende Spezialisten gebe. “Allerdings verzeichnen wir in den Kliniken bei der Qualität auch eine enorme Streuung.” Häufig variiere die Qualität des schmerztherapeutischen Ansatzes auch von Operation zu Operation. Entscheidend für die Patientenzufriedenheit sei nicht allein der Grad der Schmerzen. Eine wesentliche Komponente für die Bewertung stelle auch die Einbindung des Patienten dar. Meißner: “Patienten wollen heute keine Bevormundung mehr. Sie verlangen weniger Schmerzen und wissen auch, dass es dafür Medikamente gibt.” Er plädiert deshalb für eine Schmerztherapie, die sich ausschließlich am Patienten orientiert und nicht abhängig ist von der Art der Operation.
Diese Einschätzung teilt auch die zweite Referentin des Symposiums, Professorin Esther Pogatzki-Zahn. Sie ist Leiterin der Akutschmerztherapie am Universitätsklinikum Münster. Patientenbefragungen hätten gezeigt, dass das subjektive Schmerzempfinden und der Schmerzensgrad nicht von der schwere der Operation abhänge. Bei komplizierten Tumoreingriffen oder Gefäßoperationen seien als nicht akzeptabel empfundene Schmerzen sogar eher seltener der Fall als bei OPs mit einem allgemein als gering angesehenen Gewebstrauma wie bei einer Appendektomie oder Tonsillektomie. “Gerade bei kleinen und mittelschweren OPs brauchen wir deshalb eine Anpassung unserer Schmerztherapien”, so Pogatzki-Zahn. “Hier gibt es ganz klar Nachholbedarf.”
Sie wies darauf hin, dass es insbesondere in den Leitlinien angelsächsischer Länder wie den USA oder Australien eine eindeutige Empfehlung zum Einsatz von Opioiden nach Operationen gebe. Auch existiere dort die fest verankerte Vorgabe, Therapien an das individuelle Schmerzempfinden anzupassen. Pogatzki-Zahn betonte, dass die ersten 24 Stunden nach einer OP entscheidend seien. Studien hätten nachgewiesen, dass sich eher ein chronischer Schmerz bei Patienten einstelle, die auch am ersten Tag nach einer Operation über starke Schmerzen klagen. Bei bis zu 50 Prozent der Patienten würden mehrere Jahre nach der Operation noch Schmerzen auftreten.
Für Pogatzki-Zahn steht fest: Patienten würden sich nicht nur wünschen, frühzeitig in eine Schmerztherapie eingebunden zu werden, sie wollen sie auch selbst kontrollieren können. Stichwort PCA. “Der Patient kann sich immer dann nach einer Opertion ein Schmerzmittel geben, wenn er es benötigt”, so Pogatzki-Zahn. Neben einer höheren Patientenzufriedenheit und der Möglichkeit der eigenen Schmerzkontrolle würde eine PCA vor allem das Risiko der Über- und Unterdosierung reduzieren. Nachteil einer PCA sei hingegen, dass das Anlegen ressourcenintensiv sei und mit einer Patientenschulung einhergehen müsse. Für Patienten mit eingeschränkten intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten ist eine PCA deshalb nicht geeignet. Zudem schränkt eine PCA die Mobilität nicht unerheblich ein, was sie für Therapien, die ausdrücklich eine Mobilisierung erfordern, wenig attraktiv macht.
Text: V. Thoms
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