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Schlaganfallsterblichkeit in den letzten 15 Jahren halbiert

Am 29.10. ist Weltschlaganfalltag – und auch auf dem 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist die Schlaganfalltherapie eines der Kernthemen. Zwar konnte die Schlaganfallsterblichkeit in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren halbiert werden, doch noch ist man nicht am Ziel angekommen.

Mehr PatientInnen in 'goldener Stunde' behandeln

Am 29.10. ist Weltschlaganfalltag – und auch auf dem 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist die Schlaganfalltherapie eines der Kernthemen. Zwar konnte die Schlaganfallsterblichkeit in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren halbiert werden, doch man sei noch nicht am Ziel: DGN-Kongresspräsident Prof. Dr. Matthias Endres, Charité – Universitätsmedizin Berlin, diskutiert Strategien, um die Schlaganfallmortalität weiter zu senken. Möglich sei das, indem mehr PatientInnen schneller einer Therapie zugeführt werden, nach Möglichkeit sogar innerhalb der 'goldenen Stunde'.

Eine Viertelmillion Menschen erleidet jährlich in Deutschland einen Schlaganfall. Unbehandelt würde ein Drittel dieser Menschen versterben, ein Drittel schwere Behinderungen zurückbehalten und nur ein Drittel hätte das Glück, die Erkrankung weitgehend unbeschadet zu überstehen. "Wir können diese 'Drittel-Regel' durch die Akuttherapie durchbrechen. Wir haben es geschafft, durch die moderne Schlaganfalltherapie in Deutschland die Sterblichkeit und den Anteil der Patientinnen und Patienten, die z.T. schwere Behinderungen davontragen, maßgeblich zu senken. Wir konnten die Sterberate in den letzten 15 Jahren sogar halbieren!", erklärt DGN-Kongresspräsident Prof. Dr. Matthias Endres, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das ist ein beachtlicher Erfolg, aber letztlich nur ein Zwischenerfolg. "Wir müssen nun weiter daran arbeiten, die Zahl der Schlaganfallopfer und der betroffenen Patientinnen und Patienten, die Behinderungen davontragen, weiter zu reduzieren."

Verbesserten Versorgungsstruktur durch flächendeckende Schaffung von 'Stroke Units' und neue Behandlungsoptionen

Den Grund für den bisherigen Erfolg sieht der Experte in einer verbesserten Versorgungsstruktur, insbesondere durch die flächendeckende Schaffung von 'Stroke Units', und in den neuen Behandlungsoptionen. Es gebe nun die Möglichkeit, auch PatientInnen zu behandeln, die erst nach Ablauf des Zeitfensters von 4,5 Stunden für die Thrombolyse ("Lyse"), also der herkömmlichen Therapie mit einem Thrombus-auflösenden Medikament, in das Krankenhaus kommen.

Die WAKE-UP-Studie1, die von der Neurologischen Universitätsklinik Hamburg geleitet wurde, hatte gezeigt, dass es möglich ist, mittels moderner Bildgebung PatientInnen zu erkennen, die auch nach den 4,5-Stunden noch von einer Lyse profitieren. Darüber hinaus kann bei Verschlüssen großer Hirnarterien das Gerinnsel in spezialisierten Zentren auch durch einen Kathetereingriff entfernt werden. Diese interventionelle Thrombektomie hilft besonders bei schweren Schlaganfällen, und ist in Einzelfällen auch noch viele Stunden nach Einsetzen der ersten Symptome möglich.

"Allerdings gilt aber immer noch die wissenschaftliche Erkenntnis 'Time is Brain', die Zeit spielt die wesentliche Rolle bei der Behandlung von Schlaganfällen und ist entscheidend für den Therapieerfolg", erklärt der Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité und verweist auf die hohe Bedeutung einer flächendeckenden Versorgung.

"Um Patienten optimal und schnell einer Behandlung zuführen zu können, muss eine Klinik 24/7 ein Schlaganfallteam und die entsprechende Technik vorhalten, sprich: einen Neurologen/in und einen interventionellen Neuroradiologen/in, aber auch die MRT- und CT-Perfusionsbildgebung sowie eine Intensivstation – und es ist klar, dass dies nicht jedes Krankenhaus leisten kann. Was uns Neurologen derzeit beschäftigt, ist, wie wir diese spezialisierte Schlaganfalltherapie in die breite Versorgung bekommen. An dieser Herausforderung arbeiten die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Deutsche Schlaganfallgesellschaft gemeinsam."

Weniger Todesfälle und Behinderungen durch STEMO

Wie wichtig der Faktor Zeit ist, illustriert ein Berliner Pilotprojekt: Derzeit sind in der Hauptstadt drei STroke Einsatz-MObile (STEMO) im Einsatz, speziell konzipierte Rettungswagen, die mit einem Computertomographen und einem Minilabor ausgerüstet sind. Eine erste Auswertung hat gezeigt, dass dadurch die Rate der PatientInnen, die noch eine Lyse innerhalb des 4,5-Stunden-Zeitfensters erhalten können, um bis zu 40% gesteigert werden konnte – und das ist nicht alles: "Wir bringen dadurch auch eine ganze Reihe an Patientinnen und Patienten in die sogenannte 'goldene Stunde', wir schaffen es also, sie innerhalb einer Stunde nach dem Einsetzen der Symptome einer Therapie zuzuführen. Diese Patienten haben dann eine hohe Chance, den Schlaganfall völlig unbeschadet zu überstehen." 

Das Erreichen der 'goldenen Stunde' sei im Normalfall kaum möglich, auch wenn der Betroffene schnell nach Einsetzen der Symptome die 112 wähle. Bis der Notfallwagen die Klinik erreicht, sind im Regelfall mindestens 20-30 Minuten vergangen, dann erst kann die umfassende Patientenuntersuchung mit Bildgebung beginnen, die im STEMO während der Fahrt erfolgt. PatientInnen kommen dann mit abgeschlossener Diagnostik in das Krankenhaus und die Thrombolyse können bereits im Wagen begonnen werden.

Wie Prof. Endres berichtet, wurde aktuell eine große Studie abgeschlossen, die in Berlin den STEMO-Einsatz gegenüber dem Regeleinsatz im Hinblick auf das Behandlungsergebnis verglich. Im Rahmen der Studie wurde das Outcome der Betroffenen nach drei Monaten mit der modifizierten Rankin-Skala erhoben (0 Punkte =keine Beschwerden, 6 Punkte = Tod; als gutes Outcome nach Schlaganfall gelten 0 und 1). Erste Ergebnisse wurden auf der Internationalen Schlaganfallkonferenz (ISC) in den USA vorgestellt und Prof. Endres erklärt, dass die Rate an Behinderungen und Tod bei den PatientInnen, für die ein STEMO zur Verfügung stand, deutlich geringer war. "Angesichts der Tatsache, dass die Versorgungsstruktur in Berlin extrem hoch ist, der Weg in ein Krankenhaus nicht weit, aber trotzdem mit dem Einsatz von STEMO bessere Behandlungsergebnisse erzielt wurden, zeigt, dass jede Minute zählt", so der Experte. "Wir hoffen, wir können mit unseren Daten die Kostenträger überzeugen, solche Mobile auch in anderen Versorgungsregionen vorzuhalten."

Referenzen:
1. Thomalla G, Simonsen CZ, Boutitie F, et al. MRI-guided thrombolysis for stroke with unknown time of onset. N Engl J Med 2018; 379: 611-622