Kinder, die mithilfe einer Samenspende gezeugt worden sind, haben auch weiterhin darunter zu leiden, dass sie nur schwer an Auskünfte über ihren biologischen Vater kommen. Meist bedarf es eines langwierigen Prozesses. Die Suche nach dem biologischen Vater ist für “Samenspenderkinder” trotz mehrerer Urteile, die ihnen ein Auskunftsrecht über ihre Abstammung geben, schwierig. “Samenbanken und Behandler sperren sich”, sagte Claudia Brügge, die Vorsitzende des Vereins “DI Netz”, der Spenderkinder und ihre Eltern vertritt.
In Deutschland ist die Samenspende (Donogene Insemination) legal. Sie ist durch Richtlinien der Bundesärztekammer und des Arbeitskreises für Donogene Insemination geregelt. Viele Details sind aber gesetzlich nicht festgelegt. Dies gilt zum Beispiel für den Anspruch eines so gezeugten Kindes, den Namen seines biologischen Vaters zu erfahren. Die Kenntnis der Abstammung gilt jedoch als Grundrecht und ist durch mehrere Urteile bestätigt worden. Die Samenspender sind meist anonym. Die rechtliche Vaterschaft hat der Mann des Paares, das die Insemination gewünscht und in sie eingewilligt hat. Trotzdem können auf den biologischen Vater theoretisch Unterhaltsansprüche zukommen. Die Behandlungsunterlagen, aus denen die Identitäten des Samenspenders sowie der behandelten Frau hervorgehen, müssen nach deutschem Recht von Ärzten oder Samenbanken 30 Jahre lang aufbewahrt werden.
Die Deutsche Klinik Bad Münder in Niedersachsen zum Beispiel gibt Informationen tatsächlich erst nach einer Verurteilung heraus. “Um uns gegenüber den Spendern abzusichern”, sagte Klinik-Leiter Arvind Chandra. Diesen habe man seinerzeit nämlich Anonymität zugesichert. “Die Ansprüche eines Spenders gegen uns könnten höher ausfallen, als uns ein Gerichtsverfahren kostet”, sagte Chandra.
Eine gesetzliche Regelung sei daher dringend notwendig, meint Claudia Brügge. Beim Bundesjustizministerium gibt es zwar bereits einen Arbeitskreis zum Thema Abstammung. Mit einem Ergebnis rechnet das Ministerium aber erst 2017. Neben dem Auskunftsrecht müssten etwa Fragen nach den Unterhaltspflichten schnell geregelt werden. Außerdem brauche es ein unabhängiges Spenderregister, in dem Kinder Auskunft über ihre Herkunft bekommen können. Brügge will zudem, dass Ärzte dazu verpflichtet werden, Eltern eine Beratung anzubieten.
Nach Angaben von Samenbanken und Kliniken gibt es bisher allerdings nur wenige Anfragen. Beim Zentrum für Reproduktionsmedizin in Essen lägen derzeit etwa 50 bis 60 Anfragen vor, sagte einer der Klinik-Leiter, Thomas Katzorke. Im Schnitt kämen im Monat ein bis zwei hinzu. Nach Einschätzung des Mediziners gibt es in Deutschland derzeit etwa 110 000 Spenderkinder, pro Jahr würden etwa 1000 Kinder geboren. Gegen Katzorke erwirkte ein Spenderkind 2013 das erste Urteil zum Auskunftsrecht vor dem Oberlandesgericht Hamm.
Die Spermabank Hamburg hat nach eigenen Angaben solche juristischen Probleme nicht. Es sei noch nie vorgekommen, dass ein Spender nicht mit seinem Kind in Kontakt treten wollte, hieß es bei der Laborleitung. Anonymität sei den Männern allerdings auch nie zugesichert worden. Die Samenbank gibt es seit 1990. Nur etwa ein Prozent der Kinder habe bisher nach dem biologischen Vater gefragt. Die Namen der Spender würden erst nach einem vorbereitenden Gespräch mit Kind und Spender herausgegeben. Auf Wunsch moderiere man die Kontaktaufnahme und ziehe einen Psychologen hinzu.
Die rechtliche Situation für Samenspender ist stark von Gerichtsurteilen geprägt:
– Kinder anonymer Samenspender haben das Recht, den Namen ihres leiblichen Vaters zu erfahren, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in Nordrhein-Westfalen Anfang 2013 (Az.: I-14 U 7/12). Es verpflichtete eine Reproduktionsklinik, einer per anonymer Samenspende gezeugten Frau den Namen ihres biologischen Vaters zu nennen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1989 entschieden, jeder habe das Recht auf Kenntnis seiner Herkunft (Az.: 1 BvL 17/87).
– Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte im Januar 2015 klar, dass grundsätzlich jedes Kind – egal welchen Alters – Anspruch darauf hat, seine Abstammung zu erfahren (Az.: XII ZR 201/13). Er gab zwei noch minderjährigen Kindern aus der Nähe von Hannover Recht, die eine Reproduktionsklinik verklagt hatten. Diese hatte die Auskunft über den biologischen Vater der beiden Schwestern verweigert.
– Willigt ein Partner in eine Samenspende ein, muss er Unterhalt zahlen – egal ob er mit der Frau verheiratet ist oder nicht. Das entschied der BGH im September 2015 in einem Grundsatzurteil (Az.: Az.: XII ZR 99/14).
Text: mit dpa
Foto: dpa