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S2k-Leitlinie Multiple Sklerose mit konkreten Empfehlungen

Die neue Leitlinie zu Multiple Sklerose stellte Prof. Dr. Bernhard Hemmer, München, auf der Neurowoche in Berlin vor. Im August 2017 wurden die Mitglieder der LL-Kommission ausgewählt, die sich seitdem dreimal trafen. Die Leitlinie ist auf 2k-Niveau und mit konkreten Empfehlungen für die Praxis.

  • Die neue Leitlinie soll im ersten Quartal 2019 zur Verfügung stehen
  • Myelitiden im Rahmen des Neuromyelitis-optica-Spektrums sprechen schlecht auf Steroide an, Apharesetherapie ist eine Option
  • MS-Kohortenstudie: Geringe Krankheitsaktivität zeigt nicht, dass nicht schon früh neuropsychologischen Symptome vorliegen

Die neue Leitlinie zu Multiple Sklerose stellte Prof. Dr. Bernhard Hemmer, München, auf der Neurowoche in Berlin vor. Im August 2017 wurden die Mitglieder der LL-Kommission ausgewählt, die sich seitdem dreimal trafen. Die Leitlinie ist auf 2k-Niveau und mit konkreten Empfehlungen für die Praxis.

Statement 1: Vor Beginn einer Therapie sollen mit dem Patienten realistische Therapieziele vereinbart werden (Konsens).

Statement 2: Ziele der Immuntherapie sollen die Verhinderung bzw. Reduktion von klinischer Krankheitsaktivität (Schübe und Krankheitsprogression) und Erhalt der Lebensqualität sein. Ein weiteres Ziel sollte die Reduktion der per Kernspintomographie messbaren Krankheitsaktivität sein (Konsens).

Statement 3: Für die Immuntherapie stehen in der Kategorie 1 folgende Mittel zur Verfügung: Betainterferone, Dimethylfumarat, Glatiramereroide, Teriflunomid,(Azathioprin).
In Kategorie 2: Fingolimod und Cladibrin
In Kategorie 3: Alemtuzumab, CD20 Antikörper,  Natalizumab (Mitoxantron)

Statement 4: In der Kategorie 1 gibt es keine Empfehlung für eine Präferenz. Die Wahl des Medikaments soll sich nach den Präferenzen und den Komorbiditäten des Patienten richten (starker Konsens).

Statement 5: In der Kategorie 2 sollte primär Fingolimod unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit und der Langzeitdaten das Mittel der ersten Wahl sein (starker Konsens).

Statement 6: Natalizumab sollte unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit und der Langzeitdaten in der Kategorie 3 bei JCV-Antikörper-negativen Patienten das Mittel der ersten Wahl sein (starker Konsens).

Statement 7: Bei JCV-Antikörper-positiven Patienten (Index > = 0,9) sollte Natalizumab nur in Ausnahmefällen und max. 24 Monate lang verabreicht werden (starker Konsens).

Zur Immuntherapie der schubförmigen MS wurde folgende Aussagen getroffen:

Statement 1: Bei unbehandelten Patienten mit schubförmig verlaufender MS soll eine Immuntherapie besprochen werden, wenn 

  • Mindestens ein klinisch-objektivierbarer Schub
  • MRT-Aktivität vorhanden in einem Zeitraum von bis zu 2 Jahren

nachweisbar ist (starker Konsens).

Statement 2: Bei behandelten Patienten (ab dem 7. Monat nach dem Beginn einer Immuntherapie) mit RMS soll eine Therapieeskalation besprochen werden wenn:

  • mindestens ein klinisch objektivierbarer Schub
    oder
  • ein klinisch nicht-objektivierbarer Schub und einmaliger MRT-Aktivität
    oder
  • wiederholte MRT-Aktivität

in einem Zeitraum von bis zu 2 Jahren nachweisbar ist (Konsens). 

Im letzten Schritt der Leitlinien werden konkrete Empfehlungen für die Diagnose, symptomatische Therapie und die Behandlung verwandter Krankheitsbilder erstellt. Ziel ist, die S2k-LL im ersten Quartal 2019 zu veröffentlichen.

In die Nationale MS-Kohortenstudie sind bislang 1.400 Patienten im MS-Frühstadium eingeschlossen, so Prof. Dr. Ralf Gold, Bochum. Einem frühen Switch auf eine krankheitsmodulierende Therapie (DMT) sollte Beachtung geschenkt werden gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Krankheitsaktivität, den Nutzen und auf Nebenwirkungen.

Eine geringe Krankheitsaktivität (gemessen mit dem EDSS) zeigt nicht notwendigerweise, dass nicht schon früh neuropsychologischen Symptome vorliegen, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Vor allem wurden frühzeitig kognitive Symptome beobachtet, so Gold, die im Frühstadium allerdings noch gut kompensiert werden konnten.

MRT und CSF-Paramater können dabei helfen, den kurzfristigen Krankheitsverlauf vorherzusagen. Modifizierbare Risikofaktoren (Rauchen, Vitamin D-Defizienz) sollten mit den Patienten besprochen und die Raucher zum Rauchstopp ermutigt werden.

Neuromyelitis optica: In der Regel keine Progredienz, sondern schubförmiger Verlauf

Den Blick auf Erkrankungen des Neuromyelitis optica-Spektrum (NMOSD) lenkte Dr. Corinna Trebst, Hannover. Die Inzidenz liegt bei 0,1 bis 0,9, bei einer Million Menschen. In 80% der Fälle ist die Erkrankung mit einem Autoantikörper gegen AQP4 assoziiert. Sie verläuft in Schüben, in der Regel keine Progredienz. Es kommt zu einem schnelleren Aufbau von Behinderungen.

Im NEMOS-Register der NMOSD-Kohorte sind Patienten aufgenommen, die an Neuromyelitis optica Spektrum Erkrankungen leiden. Einschlusskriterien für das NEMOS-Register sind dabei:

  • Alle Patienten, die die IPND 2015-Kriterien erfüllen
  • Alle AQP4-seropositiven Patienten
  • Alle MOG-seropositiven Patienten
  • Alle LETM-Patienten ungeachtet des Serostatus
  • Optikusneuritis
  • Hirnstamm-Enzephalitis mit Area-postrema-Syndrom (APS)

Epidemiologie und Prädikatoren für das Outcome (n=175) aus der NEMOS-Kohorte:

  • Medianer EDSS liegt bei 6,5 nach 10 Jahren Krankheitsdauer
  • 9 Todesfälle, 5 NMO-assoziiert, alle AQP4-positiv
  • Bei den AQP4-negativen Patienten handelt es sich häufiger um Männer und einen monophasischen Verlauf

Als Prädiktoren für schlechtes Outcome gelten:

  • Myelitis als Erstsymptom
  • Myelitis mit motorischen Ausfällen
  • > 1 Myelitis im ersten Erkrankungsjahr

Für die NMOSD-Schubtherapie gilt, dass jeder Eskalationsschritt die Remission verbessert, betonte Trebst. Myelitiden sprechen besonders schlecht auf die Schubtherapie an. Sie profitieren deshalb besonders von einer Firstline-Apheresetherapie. Für das Ansprechen ist ein früher Start der Apheresetherapie entscheidend.

So wird die NMOSD-Schubtherapie durchgeführt

  • Apharesetherapie (Plasmapherese oder Immunadsorption 5 bis 7 Austausche), bei Bedarf ein erneuter Zyklus, ggf. in Kombination mit Steroiden.
  • Steroidtherapie (1g MP/Tag intravenös für 5 Tage, anschließend orales Ausschleichen), dann folgt eine Apharesetherapie. Bei weiter bestehenden funktionalen Defiziten sollte die Therapie so rasch wie möglich fortgeführt werden.

Bei der Immuntherapie der NMOSD ist der Einsatz von Rituximab oder Azathioprin oder MMF Konsens, zu Beginn mit oralen Steroiden. Halten die Schübe an, sollte bei einer Vortherapie mit RTX zu Tocilizumab gewechselt werden - unter Kombination mit Steroiden/AZA/MTX. Wurde die Vortherapie mit AZA oder MMF durchgeführt, sollte auf RTX gewechselt werden.

Referenzen:
Neurowoche. 91. Kongress der Deutschen Gesellschaf für Neurologie (DGN) in Berlin, 30. Oktober bis 3. November 2018.