Cannabis auf Rezept - für Schwerkranke ist das einem neuen Gesetz zufolge nun möglich. Dass es in der Praxis aber noch hapere, soll eines der großen Themen der diesjährigen Hanfparade werden.
Es sind wieder viel Reggae-Musik, Hanfblätter auf Transparenten und übergroße Joint-Attrappen zu erwarten: Die Hanfparade zieht an diesem Samstag zum 21. Mal durch das Berliner Zentrum. Insgesamt rund zehntausend Befürworter der Legalisierung von Cannabis werden nach Polizeiangaben erwartet. Mit Verkehrseinschränkungen sei zu rechnen.
Geplant ist zunächst eine Auftaktkundgebung (10.00 Uhr) nahe dem Hauptbahnhof. Von dort setzt sich der Zug (ab 14.00 Uhr) in Richtung Gesundheitsministerium und Alexanderplatz in Gang. Nahe dem Neptunbrunnen ist eine Abschlusskundgebung vorgesehen. Es spricht unter anderem die Grünen-Politikerin Canan Bayram, Nachfolgerin des langjährigen Cannabis-Verfechters Hans-Christian Ströbele im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg. Dazu gibt es diverse Info-Stände und Musik bis in den Abend, es folgen Partys in Clubs.
Schwerpunkt der Demo ist in diesem Jahr das Thema Cannabis als Medizin, wie Sprecher Martin Steldinger ankündigte. Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet kämen nach Berlin, um über ihre Erfahrungen nach der Gesetzesänderung zu berichten. Eins nimmt er vorweg: "Die meisten sind sehr unglücklich."
Mittlerweile können Menschen bei schwerwiegenden Erkrankungen, bei chronischen Schmerzen und als Palliativ-Behandlung im Einzelfall Cannabis auf Rezept bekommen. Kann der Arzt nachweisen, dass es keine andere anerkannte Therapie für den Patienten gibt und die Cannabisgabe erfolgversprechend ist, sollen die Krankenkassen die Kosten für Cannabispräparate oder für getrocknete Cannabisblüten bezahlen. Im März hatte ein Gesetz von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Weg dafür frei gemacht.
Noch gestalte sich die Kostenübernahme durch die Kassen aber schwierig, so Steldinger. Auch Menschen, die nach der alten Regelung eine Ausnahmegenehmigung zum Bezug von Cannabis besaßen, müssten nun weitgehend ablehnende Bescheide hinnehmen. Die Schwerkranken würden so in die Illegalität oder in langwierige Gerichtsprozesse getrieben.
Als gesichert gilt, dass Cannabisblüten bei Spastiken helfen, die bei Multipler Sklerose und bei Nervenverletzungen auftreten. Cannabis soll darüber hinaus Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien unterdrücken und den Appetit bei Aids anregen. Bei Epilepsie, Alzheimer, Juckreiz und Depressionen sind die Erkenntnisse über die Wirksamkeit bisher eher gering.
Die Freigabe von Cannabis als Medizin ist seit vielen Jahren eine Forderung der Hanfparade - die Teilnehmer sprechen sich aber auch für eine Legalisierung als Genussmittel aus. Das diesjährige Motto der Demo, "Breiter kommen wir weiter!" soll auf die zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten der Pflanze hinweisen - aber nicht nur: Es sei "ein prima Konter auf die aktuell laufende, cannabiskritische Aufklärungskampagne 'Zu Breit?'" der Berliner Gesundheitsverwaltung, heißt es auf der Webseite. Mit dieser Kampagne sollen vor allem Jugendliche über die Gefahren von Cannabiskonsum aufgeklärt werden.
Berlin gilt als deutsche Kiffer-Hauptstadt. Knapp 60 Prozent der Fälle von Drogenhandel und -schmuggel in Berlin 2016 drehten sich um Cannabis. Knapp jeder Fünfte der 15- bis 17-Jährigen hat nach Erkenntnissen der Gesundheitsverwaltung Erfahrungen mit der Droge, bei den 18- bis 24-Jährigen ist es fast jeder Zweite. Insbesondere bei Jugendlichen können sich die heutigen sehr hohen Gehalte an dem Wirkstoff THC allerdings schädlich aufs Gehirn auswirken.