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Pesterreger umgehen das Immunsystem

Yersinien als Pesterreger sind auch heute noch nicht vollständig ausgerottet. Die Bakterien spritzen verschiedene Enzyme in die Fresszellen des Immunsystems. Dort werden diese aktiviert und hindern die Abwehrzellen daran, die Pestbakterien zu umschließen und zu verdauen.

Fresszell-Aktivität wird mittels molekularer Tricks verhindert

Yersinien verbreiteten vor allem in vergangenen Zeiten Angst und Schrecken, doch die Pesterreger sind auch heute noch nicht vollständig ausgerottet. Die Bakterien spritzen verschiedene Enzyme, darunter das Enzym YopO, in die Fresszellen des Immunsystems. Dort wird es aktiviert und hindert die Abwehrzellen daran, die Pestbakterien zu umschließen und zu verdauen.

Zu den Yersinien gehört auch der Pesterreger, der bis zur Entdeckung der Antibiotika weltweit für Angst und Schrecken sorgte. Die großen Epidemien sind vorbei, doch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete zwischen 1978 und 1992 insgesamt 1.451 Todesfälle in 21 Ländern. Pestbakterien kommen auch noch in wildlebenden Nagetieren vor. Die Übertragung erfolgt überwiegend über Flöhe, aber auch durch Tröpfcheninfektion. "Yersinien tricksen die Makrophagen des Immunsystems aus“, sagte Dr. Gregor Hagelüken vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn.

Der Strukturbiologe erforschte die Besonderheit der Pesterreger, eine Art Spritze, mit der sie das Enzym YopO und einige andere Enzyme in die Fresszellen (Makrophagen) des Immunsystems injizieren. YopO wird aber erst aktiv, wenn es an das Aktin der Fresszelle bindet. Normalerweise hilft das Strukturprotein Aktin dabei mit, dass die Fresszelle Ausstülpungen bilden kann, mit der sie die Erreger umfließt und dann zerkleinert. Bei dem Vorgang ruft die Fresszelle weitere Abwehrzellen um Hilfe.

YopO bringt die Kommunikation des Immunsystems durcheinander

"Sobald aber YopO an das Aktin gebunden hat, trägt es dazu bei, die Kommunikation innerhalb des Makrophagen zu stören, welcher dann nicht mehr angreift“, berichtete Hagelüken. "Die Yersinien bleiben letztlich unbehelligt.“ ForscherInnen fragen sich schon länger, wie YopO durch die Bindung an Aktin aktiviert und damit der Schalter für den dramatischen Verlauf umgelegt wird. "WissenschaftlerInnen der Universität Oxford und der National University of Singapore haben bereits 2015 die Struktur des ans Aktin gebundenen YopO entschlüsselt“, berichtete Hagelükens Mitarbeiter und Erstautor Martin F. Peter. Allerdings handelte es sich bei den Strukturaufnahmen um eine Art "Standbild“: Es war nicht erkennbar, wie das YopO seine Gestalt verändert, wenn es ans Aktin bindet.

"Enzyme sind keine steifen Strukturen, sondern verfügen über etliche bewegliche `Scharniere´, mit denen sie ihre Form verändern können“, erklärte Hagelüken weiter. Die ForscherInnen wollten zwei "Schnappschüsse“ aufnehmen: Einen von YopO alleine und in einem zweiten Durchgang einen von dem YopO/Aktin-Komplex. Auf diesen "Vorher-Nachher-Bildern“ sollte sich erkennen lassen, wie die beiden Partner durch die Komplexbildung ihre Gestalt verändern. "Diese Idee war eine Herausforderung, da die normale Methode der Kristallstrukturanalyse bei dem freien YopO nicht funktionierte. Wie sich herausstellt, ist es zu flexibel, um geordnete Kristalle zu bilden“, sagte Peter.

Neueste Werkzeuge der Strukturaufklärung

Die WissenschaftlerInnen der Universität Bonn bedienten sich deshalb gleich mehrerer Instrumente aus dem Werkzeugkasten der Strukturaufklärung. Mit extrem intensiven und gebündelten Röntgenstrahlen kann man mithilfe der sogenannten Röntgenkleinwinkelstreuung die Gesamtstruktur und strukturelle Veränderungen von in Wasser gelösten Enzymen studieren.

Zusätzlich brachten die ForscherInnen an bestimmten Positionen des YopO und des Aktin Spin-Marker an. Sie funktionieren wie Vermessungspunkte in der Landschaft, an denen zum Beispiel die exakte Lage eines Grundstücks ermittelt werden kann. "Anhand der Spin-Marker können wir mit einem molekularen Lineal – der PELDOR-Methode – die Nanometer Abstände zwischen diesen Positionen vermessen und dadurch bestimmen, wie YopO und Aktin ihre Form verändern“, berichtete Hagelüken. Bislang wurde vermutet, dass YopO wie eine Schere eine Klappbewegung ausführt, sobald es an Aktin bindet. Die neuen Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass es sich nicht um eine größere Bewegung, sondern viele kleine handelt, mit der YopO in den aktiven Zustand übergeht.