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Patienten-Steuerung: Hecken für Selbstbeteiligung und Hausarztmodell

Eine ausnahmslose Selbstbeteiligung und Hausarztmodelle hält der GBA-Vorsitzende Hecken für geeignete Instrumente zur wirksamen Patientensteuerung. Dies sei notwendig, um die Überlastung des Gesundheitssystems mit Bagatellfällen zu vermeiden.

Effektive Patientensteuerung durch Selbstbeteiligung und Hausarztmodell

20 bis 30 Prozent der Inanspruchnahme in der vertragsärztlichen Versorgung sind nach Einschätzung des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses, Professor Josef Hecken ohne medizinische Notwendigkeit. Diese Fälle, verursacht durch eine Kombination von subjektiver Missbefindlichkeit und Freibiermentalität, verstopften zunehmend die Kapazitäten der ambulanten Versorgung zu Lasten jener Patienten, die aus ernsten Gründen professionelle medizinische Hilfe benötigten.  

Notwendig sei eine effektive Patientensteuerung. Ein geeignetes und notwendiges Instrument dazu sei eine sozial ausgestaltete, aber ausnahmelose Selbstbeteiligung. Jeder Bürger, der Leistungen der Sozialversicherung in Anspruch nehme, müsse sich der Tatsache bewusst sein, dass dies ein Solidarsystem sei, dessen Möglichkeiten sparsam genutzt werden müssen. Als Orientierung für die Mindesthöhe der Selbstbeteiligung sieht Hecken den „Preis eines Päckchens Marlboro“, das sind derzeit 8,20 Euro. Anders als die Praxisgebühr müsse die Zuzahlung praxistauglich und bürokratiearm ausgestaltet sein.

Zur Stärkung der ambulanten Versorgung sei auch eine bessere finanzielle Ausstattung erforderlich. Niedergelassene und freiberufliche Ärzte seien das Rückgrat der Versorgung, und dazu zählten auch die Fachärzte. Nicht nur für Hausärzte, sondern auch für die niedergelassenen Spezialisten müsse das Honorar entbudgetiert werden. Die Mittel müssten auch zur Verfügung gestellt werden, um Praxispersonal höher zu qualifizieren und attraktiv zu vergüten mit dem Ziel, Ärzte insbesondere auch bei der Steuerung von Patienten wirksam zu unterstützen.

Vorbild: HzV und Facharztverträge in Baden-Württemberg

Als ein Vorbild für eine effiziente Patientensteuerung sieht Hecken die in Baden-Württemberg weit verbreitete Kombination von hausarztzentrierter Versorgung nach Paragraf 73b und Versorgung in Facharztverträgen nach Paragraf 73c/140a. Mehrfache Evaluationen hätten gezeigt, dass mit diesen Verträgen ein positiver Effekt auf die Morbidität erreicht werden kann – bei sinkenden Arzneimittelverordnungen und Krankenhauseinweisungen und weniger unkoordinierter Inanspruchnahme von Fachärzten. Hecken: „Das ist ein hochrentables Modell, bei dem sich die Mehrvergütung von Haus- und Fachärzten durch Einsparungen bei Arzneimitteln, Krankenhausversorgung und gezielter Inanspruchnahme von Spezialisten auszahlt.“ Es entlaste die Ärzte, auch weil deren qualifiziertes Personal stärker in die Versorgung und Koordination von Patienten eingebunden werde. Das Modell zeichne sich durch hohe Arzt- und Patientenzufriedenheit aus. 

Diskriminierung und unfairer Wettbewerb durch Öffnung der Kliniken

Hecken warf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor, diese evidenzbasierten Erkenntnisse aus der Versorgung zu negieren und die ambulante Versorgung und niedergelassene Ärzte systematisch durch einseitige Bevorzugung der Krankenhäuser im Rahmen der Klinikreform zu diskrimineren. Als unfairen Wettbewerb sieht er die geplante generelle Öffnung der der Level 1i-Krankenhäuser für die ambulante Versorgung ohne jegliche Bedarfsprüfung. Dies werde wahrscheinlich dazu führen, dass diese Krankenhäuser sich gerade dort den Zugang zur ambulanten Versorgung erschließen würden, wo sie am wenigsten gebraucht würden: in Ballungszentren und Städten und nicht in ländlichen Regionen, in denen schon jetzt 5000 Hausarzt-Sitze nicht besetzt sind.

Einen weiteren Beleg für die Diskriminierung niedergelassener Ärzte erblickt Hecken in der geplanten Ausgestaltung der Notfallreform, insbesondere der Integrierten Notfallzentren in Kombination mit den dort einzurichtenden ambulanten Notfallpraxen. Die gesetzliche Verpflichtung, diese Notfallkapazitäten sieben Tage in der Woche rund um die Uhr mit Vertragsärzten zu besetzen – also auch während der Praxisöffnungszeiten sei unerfüllbar in Kombination mit dem Sicherstellungsauftrag für die ambulante Regelversorgung. Dies binde viel zu viel Arbeitskapazität bei zunehmend knapper werdender Arbeitskraft der Ärzte.

Als verfehlt bezeichnet Hecken die Beanstandung einer vor zwei Jahren vom Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien zur strukturierten Ersteinschätzung von Patienten durch speziell qualifiziertes Praxispersonal (Nichtärzte) mit Rückgriffsmöglichkeit auf einen Arzt im Bedarfsfall. Diese Richtlinie, der ein evaluiertes Ersteinschätzungsinstrument zugrunde liegt, müsse zumindest übergangsweise – bis zum Inkrafttreten einer in der nächsten Legislaturperiode zu beschließenden Notfallreform – in Kraft gesetzt werden können.

Auszeichnung mit der Kaspar-Roos-Medaille

Vor dem Hintergrund der seines Einsatzes für die ambulante Versorgung und die Freiberuflichkeit von Ärzten sowie seines Engagements für eine evidenzbasierte Medizin zeichnete der Virchowbund Hecken mit der Kaspar-Roos-Medaille aus. Kaspar Roos war der erste Vorsitzende des Virchowbundes, der sich in seiner ersten Phase Verband der niedergelassenen Nicht-Kassenärzte nannte; Roos erstritt 1960 zusammen mit dem Marburger Bund das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts für eine generelle Zulassung als Kassenarzt.