Dr. Lieve Thienpont, vom Universitätskrankenhaus Brüssel, und ihre Kollegen publizierten diese Erkenntnisse in einer neuen Studie (DOI:10.1136/bmjopen-2014-007454) im Fachmagazin BMJ Open.
In Belgien ist die sogenannte Euthanasie, welche die “durch den Patienten gewünschte, absichtliche und kontrollierte Herbeiführung des Todes bei unheilbar Kranken durch Medikamente” darstellt, seit dem Jahr 2002 legal.
Laut Dr. Thienpont und ihren Kollegen sind Belgien, die Niederlande und Luxemburg die einzigen Länder in Europa in denen psychologische Leiden oder Verzweiflung eine legale und gültige Begründung für die Inanspruchnahme von Sterbehilfe sind.
Die Wissenschaftler analysierten Anträge auf Sterbehilfe von insgesamt 100 Patienten – 77 Frauen und 23 Männer – die aufgrund von unerträglichem psychischem Leid gestellt wurden. Alle teilnehmenden Patienten erhielten zwischen 2007 und 2011 eine ambulante Behandlung für ihre jeweilige psychiatrische Störung. In diesem Zeitraum und bis zum Ende 2012 wurden sie von den Machern der Studie begleitet.
Das Team stellte bei 90% der teilnehmenden Patienten mehr als eine psychiatrische Erkrankung fest. Depressionen waren dabei die häufigste Diagnose. Bei insgesamt 58 Patienten wurde eine solche festgestellt. Persönlichkeitsstörungen waren die zweit häufigste Erkrankung mit 50 betroffenen Patienten. Bei weiteren 13 Patienten wurde ein Asperger Syndrom diagnostiziert.
Die Euthanasieanträge wurden bei 48 Patienten akzeptiert und, laut Studienergebnissen, bei 35 dieser akzeptierten Anträge auch tatsächlich durchgeführt. Die übrigen 13 bewilligten Anfragen wurden abgesagt oder verschoben, da die Patienten angaben, dass ihnen die bloße Möglichkeit zur Sterbehilfe genug “seelischen Frieden” bereiten würde, um erstmal mit dem Leben weiter machen zu können.
Am Ende des Follow-Up Zeitraumes waren insgesamt 43 der 100 Patienten gestorben. Sechs von diesen 43 Patienten haben sich das Leben selbst genommen. Einer davon aufgrund der zu langen Wartezeit bis zur Bewilligung seines Antrages.
Dreißig Patienten starben, begleitet von Familie und Freunden, in einer friedlichen und positiven Umgebung, von der die Wissenschaftler sagen, dass sie so nicht bei einem traumatischen Selbstmord ohne Unterstützung möglich gewesen wäre.
Dr. Thienpont und Kollegen meinen, dass ihre Erkenntnisse bei der zukünftigen Entwicklung von Leitlinien für Patienten mit psychischen Erkrankungen in Verbund mit Sterbehilfe behilflich sein könnten. Sie fügt hinzu: “Unglücklicherweise gibt es in Belgien zur Zeit noch keine Leitlinien für das Management von Sterbehilfeanträgen aufgrund von psychiatrischen Leiden. Beachtet man die zur Zeit heftig geführten ethischen Debatten, ist es unerlässlich solche Leitlinien zu entwerfen und sie in klare und detaillierte Protokolle zu übersetzen, welche dann in der Praxis angewandt werden können.“
In diesem Sinne rufen sie zur Entwicklung weiterer Studien auf, um ein besseres Verständnis für Euthanasieanträge von Patienten mit psychischen Erkrankungen und untragbaren mentalem Leid zu erlangen. Besonders quantitative und qualitative Untersuchungen seien hierbei nötig.
Thienpont schlussfolgert: “Des Weiteren könnten solche Studien systematische Vergleiche zwischen Gruppen psychiatrischer und nicht-psychiatrischer Patienten unternehmen. Hierbei könnte man Risikofaktoren, Ursprünge und Ausmaße des sogenannten untragbaren Leids in beiden Gruppen ausmachen.”
Text: esanum /pvd