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Organspende: Niemand beschäftigt sich gerne mit dem Tod

Die Bereitschaft zur Organspende geht in Deutschland kontinuierlich zurück. In der Bevölkerung muss wieder Vertrauen wachsen. Auch in den Krankenhäusern sieht ein Patienten-Selbsthilfeverband Bedar

Die Bereitschaft zur Organspende geht in Deutschland kontinuierlich zurück. In der Bevölkerung muss wieder Vertrauen wachsen. Auch in den Krankenhäusern sieht ein Patienten-Selbsthilfeverband Bedarf zum Umdenken.

Die Vorsitzende des Patienten-Selbsthilfeverbands Lebertransplantierte Deutschland mit Sitz in Bretzfeld (Hohenlohekreis), Jutta Riemer, hält nicht viel von bunten Imagekampagnen für mehr Organspenden als einzige Maßnahme. Das nach mehreren Skandalen verlorene Vertrauen sollte stattdessen durch viele Gespräche sowie gezielte Projekte zurückgewonnen und Betroffenheit geweckt werden, sagte die 61-Jährige im dpa-Interview. Ins Boot holen will sie dabei auch das Klinikpersonal.

Frage: Frau Riemer, was erwarten Selbsthilfegruppen wie ihr Verband vom Jahreskongress der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO)?

Antwort: Von dem Kongress sollte ein Signal ausgehen, dass wir eine positivere Stimmung in der Bevölkerung und besonders auch in den Krankenhäusern für die Organspende brauchen. Ärzte, Schwestern und das Pflegepersonal sollten bei Patienten, die vor einem Hirntod stehen, viel selbstverständlicher das Gespräch mit den Angehörigen über eine Organspende suchen. Das sind natürlich sehr schwere und unangenehme Gespräche, aber das würde ganz vielen Menschen helfen.

Frage: Zuletzt gab es mehrere Skandale, die Zahl der Spender geht jährlich zurück. Was muss getan werden, damit in der Bevölkerung die Bereitschaft zur Organspende wieder wächst?

Antwort: Ohne die positivere Haltung zur Organspende in den Krankenhäusern läuft jede öffentliche Kampagne ins Leere. Grundsätzlichen müssen wir es aber in der Gesellschaft schaffen, alle Bürger mit in die Betroffenheit zu nehmen: Es kann auch mich oder meine Angehörigen treffen. Aber das ist schwer, weil sich keiner gerne mit dem Tod beschäftigt.

Frage: Welchen Nutzen können groß angelegte Imagekampagnen überhaupt haben? 

Antwort: Ein Plakat kann sicher ein guter Hinweis sein, als alleinige Maßnahmen sind solche Kampagnen ungeeignet. Ich glaube nicht, dass aufgrund eines Plakats oder einer Anzeige jemanden sagt: Jetzt werde ich Organspender. Im Endeffekt helfen nur intensive Gespräche – in Schulen, bei den Landfrauen, in Vereinen, auf der Straße.

Frage: Wird sich um die Angehörigen der Betroffenen ausreichend gekümmert?

Antwort: Wir dürfen die Angehörigen nicht alleine lassen, sondern müssen uns ganz intensiv darum kümmern, dass sie ihre Erlebnisse verarbeiten können. Hier sind die Seminare, die die DSO anbietet, sehr wertvoll. Auch wir haben bei uns im Verband inzwischen eine Ansprechpartnerin für Spenderfamilien. Das ist eine Frau, deren Tochter durch einen Unfall verstorben ist und deren Organe gespendet wurden.

Die Länder müssen endlich das novellierte Transplantationsgesetz umsetzen. Die Transplantationsbeauftragen in den Krankenhäusern müssen eingesetzt, die Freistellungen für ihre Tätigkeit geregelt und für ihre ausreichende Finanzierung gesorgt werden. Bislang ist Hessen der Vorreiter und Baden-Württemberg hat zusätzlich Gelder für die Fortbildung der Transplantationsbeauftragte bereitgestellt.

ZUR PERSON: Jutta Riemer ist vor 17 Jahren eine Leber transplantiert worden. «Ich bin froh und dankbar dafür und fühle mich heute leistungsfähig und gesund», berichtet die 61-Jährige. Ihren Beruf als Lehrerin gab sie nach der Transplantation auf, begann aber bald danach, sich in einer Patientenselbsthilfegruppe zu engagieren. Seit mehr als elf Jahren ist Riemer, die privat gerne mit Wohnmobil und Hund reist sowie Aquarelle malt, Bundesvorsitzende des Verbands Lebertransplantierte Deutschland.

Text und Foto: dpa