Wer kommt aus ärztlichen Gesichtspunkten als OrganspenderIn infrage? Klarheit schafft die Richtlinie "Spendererkennung" der Bundesärztekammer. Sie hat entscheidende Bedeutung für die Abläufe der Organspende auf Intensivstationen, soll Rechtsunsicherheiten durch klare und eindeutige Definitionen lösen.
Letztmals wurde die Richtlinie 2007 aktualisiert. Die Fassung vom 1.9.2020 wurde neu strukturiert, um im PatientInneninteresse ärztliche Handlungssicherheit in einer immer komplexer werdenden Versorgungs- und Behandlungssituation zu gewährleisten. Die neuen Festlegungen haben Auswirkungen auf die ärztliche Beurteilung potenzieller Organspender, die erforderlichen organerhaltenden Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang notwendigen Abläufe bis zur Feststellung des irreversiblen Hirn-Funktionsausfalls, die Einbeziehung der Koordinierungsstelle und die Einbeziehung des Patientenvertreters sowie der Angehörigen. "Die neue Richtlinie zur Spendererkennung orientiert sich nun an den praktischen Herausforderungen", sagt Hahnenkamp, Direktor der Klinik für Anästhesiologie an der Universitätsmedizin Greifswald.
Die Überarbeitung war dringend notwendig, nachdem sich aus den jüngsten Novellierungen des Transplantationsgesetztes, des Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts, des Patientenrechtegesetzes sowie den Stellungnahmen der Bundesärztekammer, des Deutschen Ethikrates und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) neue medizinische, rechtliche und ethische Aspekte zur ärztlichen Beurteilung potenzieller Organspender ergeben haben.
"Kernelement der Richtlinie ist, dass wir als intensivmedizinisch tätige Ärzte im Krankenhaus eine Organspende bei potenziellen Organspendern ermöglichen müssen, wenn ein prinzipieller Wunsch zur Organspende besteht", erklärt Hahnenkamp. "Der Wunsch nach einer Organspende soll bereits zum Zeitpunkt eines zu erwartenden oder vermuteten Hirnfunktionsausfalls erfragt und eruiert werden. Insbesondere, bevor eine Organspende durch Überleiten auf ein palliatives Therapieziel unmöglich wird."
Wurde der Wunsch nicht im Vorfeld schriftlich festgehalten, muss ein Gespräch mit den Patientenvertretern geführt und im Rahmen von "End-of-Life-Decisions" eine medizinisch mögliche Option der Organspende berücksichtigt werden. "Im Behandlungsablauf von Patienten mit schwersten Hirnschädigungen wird somit die Achtung des Patientenwillens durch frühzeitige partizipative Entscheidungsfindung für medizinische Maßnahmen und Therapieziele sichergestellt", sagt Klaus Hahnenkamp.
Bestehe kein Wunsch nach einer Organspende, könne bereits vor Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls auf ein palliatives Therapieziel übergeleitet werden. "Besteht der Wunsch einer Organspende, dann werden intensivmedizinische Maßnahmen veranlasst, bis die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls erfolgt ist", so Hahnenkamp.
Dann werden dem Transplantationsgesetz folgend die nächsten Angehörigen gefragt, ob eine Zustimmung zur Organspende (weiterhin) vorliegt. Bis zur Durchführung der postmortalen Organspende werden intensivmedizinische Maßnahmen zur Sicherung der Homöostase der Organe aufrechterhalten. Der Transplantationsbeauftragte begleitet den Gesamtprozess als Ansprechpartner im Krankenhaus.
Quelle: Richtlinie zur Spendererkennung