"Wir können die Trägheit der Menschen nicht weiter hinnehmen." Mit diesen harschen Worten begründete der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Schmidt am Montag vor Journalisten den Neustart für einen Paradigmenwechsel beim Organspenderecht – weg von der Zustimmungslösung hin zu einer Widerspruchslösung.
Die vor vier Jahren beschlossenen strukturellen Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung mit Spenderorganen, von denen sich damals eine Mehrheit des Bundestages eine Rechtfertigung für die Zustimmungslösung erhoffte, seien unwirksam geblieben, so das Fazit der SPD-Abgeordneten Sabine Dittmar. Mit teils deutlich weniger als 1.000 Organspenden verharre deren Zahl auf nach wie vor niedrigem Niveau – weniger als die Hälfte im Vergleich zu ändern wie Österreich, Holland und Spanien.
Die Einführung eines Transplantationsbeauftragten, die Sicherstellung der Finanzierung für die Organentnahme, die Unterstützung kleinerer Krankenhäuser und intensive Aufklärung sei ohne Effekt geblieben. Zwischen genereller Zustimmung der Bevölkerung in Umfragen – 84 Prozent stehen positiv zu Organspende – und dem Schritt zur expliziten Erklärung klaffe eine unüberbrückbare Lücke, stellen die Parlamentarier fest.
Dies habe dazu geführt, dass Ärzte und nächste Angehörige neben der Belastung durch einen bevorstehenden Tod mit der zusätzlichen Herausforderung konfrontiert würden, den mutmaßlichen Willen des hirntoten Patienten hinsichtlich einer Zustimmung zur Organentnahme zu erforschen.
Nun sieht der aktuelle Gruppenantrag vor, dass jeder einwilligungsfähige potentielle Organspende sein "Nein" zu einer Organspende erklärt haben muss, um zu deren Unzulässigkeit zu führen. Bei Minderjährigen ist die Organspende nur zulässig, wenn ein Arzt den nächsten Angehörigen über die Organentnahme unterrichtet hat und dieser Angehörige zustimmt. In diesem Fall ist dann der mutmaßliche Wille des Spenders zu beachten.
Bei nicht einwilligungsfähigen potentiellen Spendern, ist die Organentnahme unzulässig, wenn die Einwilligungsfähigkeit in einem erheblichen Zeitraum vor Feststellung des Todes eingetreten ist. Das Gegenteil gilt für die Konstellation, in der die Einwilligungsunfähigkeit erst kurz vor dem Tod eingetreten ist.
Für den Arzt, der die Organentnahme vornimmt, soll folgendes Procedere gelten: Er muss klären, ob eine Erklärung des möglichen Organspenders vorliegt; dazu muss als erstes beim BfArM eine Eintragung ins Organspenderegister abgefragt werden; ist im Register ein Eintrag gespeichert, muss der nächste Familienangehörige, in der Regel vom Transplantationsbeaufragten, darüber unterrichtet und befragt werden, ob ihm eine spätere Erklärung bekannt ist. Möglich ist eine solche Erklärung auch formlos, als Notiz auf einem Zettel im Portemonnaie oder auf einer Notfall-App im Mobiltelefon. Liegt kein Widerspruch zur Organentnahme vor, haben die Angehörigen keinen Ermessensspielraum. Gibt es keine Angehörigen, so kann der Arzt auch einen nahen Freund befragen. Das Nichtvorhandensein Angehöriger steht einer Organspende nicht entgegen.
Bevor das Gesetz wirksam wird, sollen alle Bürger durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umfassend über die neue Rechtslage informiert werden; dazu zählt auch ein persönliches Anschreiben an alle Erwachsenen mit den relevanten Informationen.