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Notfallreserve ist für Kliniken keine Entlastung

Selbst in der vierten Corona-Welle sind in Baden-Württemberg noch Hunderte Intensivbetten als Notfallreserve gemeldet. Würde man sie umfassend nutzen, hätte das laut Experten schwerwiegende Folgen.

Intensivbetten immer in Verbindung mit Personal sehen

Selbst in der vierten Corona-Welle sind in Baden-Württemberg noch Hunderte Intensivbetten als Notfallreserve gemeldet. Sie zu nutzen, hätte laut Experten schwerwiegende Folgen.

Covid-Patient:innen werden von der Bundeswehr innerhalb Deutschlands verlegt, Dutzende planbare Operationen verschoben. Die Zahl der gemeldeten freien Intensivbetten in Baden-Württemberg fiel kürzlich auf den niedrigsten Stand in der Pandemie. Zugleich weist die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) in ihrem Intensivregister landesweit Hunderte Betten an Notfallreserve aus.

Die Kliniken in Deutschland melden dem Intensivregister mit der Notfallreserve ihre verfügbaren Kapazitäten an Intensivbetten und Mitarbeitern, die sie bei dringendem Bedarf innerhalb von sieben Tagen zusätzlich einsetzen können. Die Angaben beruhen auf täglichen Meldungen der einzelnen Intensivstationen. Der Mindeststandard dafür sei ein Bett, ein Beatmungsgerät, Sauerstoff, ein Monitor und Geräte zur Medikamentengabe, erklärt der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis.

Bundesweit seien bereits Hunderte High-Care-Betten aus der Notfallreserve aktiviert worden. "Würde man die komplette Notfallreserve aktivieren, müsste man das ganze Krankenhaus in den Notfallbetrieb versetzen. Das wäre ein Kahlschlag und hätte Auswirkungen auf alle Abteilungen."Die Folge wäre eine schlechtere Behandlungsqualität für andere Patient:innen und noch mehr verschobene OPs, ist Karagiannidis überzeugt. 

Genügend Personal ist der Schlüssel zur umfassenden Intensivversorgung

Betrieben werden sollte das Intensivbett von in ähnlichen Bereichen ausgebildetem OP-Pflegepersonal, so Karagiannidis. Um Betten aus der Notfallreserve zu betreiben, müsse aber erst Personal aus anderen Bereichen der Klinik abgezogen werden.

Der Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Matthias Einwag, ist überzeugt, dass alle im Intensivregister ausgewiesenen Betten tatsächlich aufgestellt werden können. Engpass sei und bleibe das Personal. Einwag betont, die Notfallreserve werde sukzessive aktiviert. "Und das passiert auch jetzt schon." Sollte die Zahl der Covid-Patient:innen noch deutlich ansteigen, werde die Versorgung in den Krankenhäusern in einen "Katastrophenmodus" gehen müssen, sagt Einwag. Auch der Mediziner Max Geraedts vom Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie der Universität Marburg sagt, das Personal für die Notfallversorgung könne nur von planbaren OPs, die abgesagt oder ausgefallen seien, rekrutiert werden.

Kliniken müssen aktuelle und genaue Angaben zur Notfallreserve machen

Dennoch ist es für Karagiannidis und seine Kolleg:innen vom Divi-Intensivregister wichtig zu wissen, wie viele Kapazitäten im Ernstfall vorhanden sind. Auch deshalb habe man die Kliniken erneut darauf hingewiesen, die Angaben zur Notfallreserve so präzise und aktuell wie möglich zu halten.

Auswirkungen hat die anhaltend hohe Auslastung der Kliniken nicht nur für Patient:innen sondern in vieler Hinsicht auch auf das Personal. Aktuell nehmen Spannungen zwischen den Kliniken zu, berichtet Karagiannidis. Es werde immer schwieriger, selbst für junge Patient:innen einen Intensivversorgungsplatz zu bekommen. Die Teams in den Kliniken müssten aktuell viel Zeit am Telefon verbringen, bis sie endlich ein freies Bett für ihre Patient:innen finden würden.

Sorge wegen Omikron-Variante des Coronavirus

Doch mehr Sorgen bereitet dem Intensivmediziner bereits eine andere Entwicklung. "Sollte die Omikron-Variante nur halb so krank machen wie die Delta-Variante, stehen wir in der Intensivversorgung vor einer großen Überforderung, weil die Variante wahnsinnig schnell kommt", sagt Karagiannidis mit Blick auf die laut mehreren Analysen ansteckendere neue Variante des Coronavirus.