Ein Notaufnahmearzt im Krankenhaus soll künftig schnell entscheiden, ob der Patient stationär aufgenommen wird oder nicht. Reicht eine ambulante Behandlung, muss er den Patienten sofort - ohne weitere Untersuchung - an niedergelassene Ärzte und deren Bereitschaftsdienste verweisen. Diese Regelung, die im April in Kraft treten soll, kritisieren hessische Notaufnahme-Mediziner als unverantwortlich und schlagen Alarm, zumal sie auch gelte, wenn ein Rettungsdienst den Patienten in die Notfallaufnahme gebracht hat. Nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) schafft die neue Gebührenordnung Klarheit und regelt die Modalitäten der Abrechnung.
Für die Entscheidung bekommen die Notfall-Ärzte künftig 4,74 Euro. Das entspreche etwa zwei Minuten, kritisierte die Arbeitsgemeinschaft Zentraler Notaufnahmen Hessen am Mittwoch in Offenbach. Bislang seien es durchschnittlich etwa 30 Euro pro Patient, und die Notaufnahmen damit schon jetzt hoch defizitär.
Hessen treffe diese bundesweite Änderung der Gebührenordnung besonders, weil die KV des Landes die Kosten für mehrere anderer erbrachte Notaufnahme-Leistungen nicht mehr übernehme, sagte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, Daniel Kiefl. Als Beispiele nannte er Laboruntersuchungen für Patienten, die anschließend nach Hause geschickt werden könnten. "Eine Lösung für uns wäre, dass das, was wir berechtigt leisten, honoriert wird", sagte Kiefl mit Blick auf die anstehenden Gespräche zwischen Sozialministerium, KV und Krankenhausgesellschaft in dem Konflikt.
Das Ministerium hält die 4,74 Euro auch für zu niedrig, wie ein Sprecher sagte. Der Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Frankfurt Höchst, Peter-Friedrich Petersen, formulierte es so: "Ich kann nicht innerhalb von zwei Minuten entscheiden, ob ein Patient in eine Praxis oder ein Krankenhaus gehört. Damit gefährde ich Leben."
"Die Patientenzahlen in der Notaufnahme der Kliniken steigen permanent, und im Gegenzug wird die Vergütung gekürzt, damit nicht mehr so viele kommen", kritisierte der Geschäftsführer des Offenbacher Sana Klinikums, Sascha John. "Warum geht der Patient nicht in die Notfallpraxis der KV, sondern zu uns? Darauf muss die KV eine Antwort geben?" Diese versuche sie über die Steuerung der Vergütung zu erreichen.
Der Frankfurter Professor für Pflegemanagement, Thomas Busse, forderte KV und Krankenhäuser auf, zusammen über eine gemeinsame Finanzierung nachzudenken und den Konflikt nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen. Das Sozialministerium hält es für sinnvoll, die Zentren des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) an den Krankenhäusern anzusiedeln, was in Hessen bereits zum großen Teil Wirklichkeit sei. Allerdings haben diese nur abends und an Wochenenden geöffnet, viele Patienten kämen aber auch während der normalen Praxisöffnungszeiten in die Notaufnahmen, halten die Krankenhaus-Mediziner dagegen.
Als Hauptgrund dafür gaben Patienten in einer Umfrage des Frankfurter Markus Krankenhauses an, dass sie sich so krank fühlen, dass sie glaubten, in einer Klinik behandelt werden zu müssen. Zweithäufigste Antwort: Ihr Arzt sei nicht erreichbar gewesen.
Patienten mit echten oder vermeintlich leichten Beschwerden in den Notaufnahmen einfach wegzuschicken, sei schwierig, kritisierte Patientenberaterin Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale. "Gerade, wenn sie im Zweifel quer durch die Stadt fahren müssen oder an einen Arzt verwiesen werden, der gar keinen Termin hat."
Wissenschaftler Busse stellt fest: Die meisten Patienten gehen am liebsten in die Klinik, was diese finanziell und organisatorisch überfordere. "Wir brauchen daher dringend ein gesteuertes System - eine zentrale Anlaufstelle, die die Patienten je nach Schweregrad verteilt beziehungsweise weiterleitet." Als Steuerungsstandort böten sich die Krankenhäuser an, "alleine um bei schweren Notfällen keine Zeit zu verlieren". Die Finanzierung dieses Modells müsste aber gerecht verteilt werden und sowohl von der KV als auch von den Krankenhäusern getragen werden.